FURWitches

„Witches“ gibt sich nicht gerade Mühe anders zu klingen als die Genrekollegen. Es ist ein Imaginarium der instrumentalen Art und lässt viel Freiraum für die eigenen Gedankenbilder, die passend zur Musik in Wellen heranschwappen als seien diese verhangenen Klänge ein Katalysator für Empfindungen und Assoziationen. Bryce Isbell alias FUR montiert schrullige Geräusche auf rhythmische Strukturen. Mal minimalistisch trocken, mal mit gehaltvollen Knistereien, die wie ein digitaler Schneesturm über die Kuppen wehen. Chillwave und Ambient sind die Genresysteme, die aber durchaus nicht ganz so schleppend ausgefüllt werden, sondern sich im frostigen Gleichgewicht zwischen trippoppiger Gelassenheit und aufwühlenden Abstraktionen wiederfinden.

„Friends Of Friends“ klappert wie die berühmte Schlage und schlingert dann über das Parkett wie die Hausfrauen bei „Let’s Dance“. Dazu gibt es atmosphärisches Hauen und vermummte Operngesänge, die irgendwann aus der Tiefe heraufsteigen und ihren Aggregatzustand ins Gasförmige wechseln. Wie sie es trotz altbackenem Klangkonzept schaffen, den Hörer einzulullen und zu gefallen, ist ein Geheimnis. Vielleicht ist es die Unaufgeregtheit, die sich trotz HipHop-Beats und schauderhaft wabernden Synthieklängen breit macht? Der beste Titel zerlegt seine Texturen ins Doppelbödige und schunkelt sich mit Walzerklängen ins Geschehen. Kein Wunder, wenn der Partner auf diesem Song Alan Palomo (Neon Indian) heißt, der mit seiner Truppe eine ähnliche Herangehensweise hat, jedoch statt auf melancholischen Nebel auf tropische Hitze setzt, so dass das Ergebnis sich in der Klangfarbe doch deutlich unterscheidet. FUR bleibt immer etwas geheimnisvoller, zitiert und sampelt, lässt Flächen entstehen und tanzt den Knispel-Beat.

Bestimmt mag Isbell auch die diffusen Aquarell-Nuancen eines Kasper David Friedrich und seine romantische Verklärung, die aber auf der Ahnung des Dunklen gebaut ist. Es ist allzu offensichtlich, dass er bei seinen mikroskopischen Betrachtungen viel auf Naturmetaphern setzt, die er digital wendet und so zu einem technischen Produkt macht, da wären die Möwensamples gar nicht unbedingt nötig gewesen. Auch bei  Projekten wie Boards Of Canada liegt ja der Reiz darin, dass die Ursprünglichkeit nie in Reinform abgebildet wird, sondern vorher einem Transformationsprozess unterzogen wird. FUR konzentriert sich aber nicht so sehr wie die schottischen Pioniere aufs Flächige, sondern setzt auf kleinteiligere, klarere und spitzere Beats, die trunken herumzappeln und kaum zur Ruhe kommen. Etwas mehr Magie, etwas weniger Nostalgie und aus „Witches“ wäre ein spannenderes und zugleich harmonischeres Werk geworden, das auch die hinreißende Nähe zulässt, die es versucht zu generieren.

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Label: Waaga

Referenzen: Boards Of Canada, Washed Out, Aphex Twin, Memoryhouse, Plaid, Christ, Real Estate

Links: Myspace Label

VÖ: 05.03.2010

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