SambassadeurEuropean

Was für ergiebige Zeiten! Während ein Künstler wie Gonjasufi unsere Vorstellung von Wohlklang erweitert und Yeasayer diesen in einer Welt suchen, in der Batikhemden durchaus als schick gelten und sie ungestraft einer Art globalem Synthie-Soulpop frönen (etwas, das bei einer Band wie Midlake, die sich in weit entfernte Landstriche des Folk zurückziehen, undenkbar wäre), erlöst uns Pantha Du Prince von dem engstirnigen Vorurteil, das Techno seelenlos sei. Doch all das würde nur halb so viel Freude bereiten, wenn es keine Bands wie Sambassadeur aus Schweden gäbe, die sich mit ihrem Indiepop weit ab von all dem befinden.

Welche Rolle aber soll eine studentische WG, die auf ihren bisherigen Alben einer sowieso schon bekehrten Gemeinde von der Popseligkeit in der Tradition des Twee predigte, indem sie zwischen C86 Charme und catchy 80s Pop pendelte, für den Genuss spielen, den uns Minimal Techno gewähren kann?

Mit Sicherheit lassen sich hier keine direkten musikalischen Zusammenhänge ausmachen, solche dürften aber auch nur von Menschen verlangt werden, die sich auf ein Genre versteifen und durch Ähnlichkeiten gelockt werden wollen, es geht eher um die Möglichkeit, Unterschiede zu genießen, indem man sie bewußt wahrnimmt. Zwar sollte man seine Erfahrungen und Hörgewohnheiten keineswegs verleugnen und stets die Beliebigkeit meiden, die letzten Monate zeigen aber deutlich, um wie viele schöne Stunden und Momente man sich durch durch ein Versteifen auf einige wenige musikalische Parameter bringen kann. Die durch Bands und Labels zur Verfügung gestellten Albumstreams und Downloads machen es mittlerweile möglich, herausragende Stücke verschiedener Stile schon vor dem offiziellen Release zu hören, außerdem ist die Vorstellung von Pop als subversiver Kultur schon lange nicht mehr haltbar, und so traurig das auch sein mag, der Gedanke, dass es sich bei dieser Musik zum einen um oftmals industriell produzierte Ware, andererseits aber um ein kanonisch aufgearbeitetes Kulturgut handelt, verleiht viele Freiheiten, wenn auch nur auf einer rein geschmäcklerischen Ebene. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Band mit der Autorität des aktuellen Konsens versehen als uncool gilt, tendiert gegen null, musikalische Moden müssen mittlerweile nicht mehr der Leitstern einer Jugend sein, die sich nicht auf ein bestimmtes Alter beschränken lässt.

Alben wie „European“ profitieren davon, „Das gab’s doch alles schon“ ist kein Veto mehr gegen aufkeimende Begeisterung, die durch die ersten beiden Stücke auf dem dritten Longplayer der GöteburgerInnen hervorgerufen wird. „Stranded“ und „Days“ besitzen den Zauber von mit Perfektion vollführter großer Gesten, die Streicher erinnern mit ihrem sanften, ausladendem Schwung an eine etwas zu tiefe, aber aufrichtig vollführte Verbeugung, das Klavier trippelt übermütig und vorsichtig zugleich wie ein barfüßiges Kleinkind am ersten warmen Frühlingstag über einen satten und ebenen Boden aus schlichten Rhythmen. Dabei verleiht Melancholie allem eine satte Tönung, egal, ob es sich dabei um den opulenten Offbeat-Hit „Sandy Dunes“ oder das Instrumental „A Remote View“ handelt. Wirklicher Überschwang und Ausgelassenheit sind aber auch nur dann möglich, wenn sie wie Marmor mit feinen Äderchen von dezenter Schwermut durchzogen wird, alles andere ist nur Spaß.

Im vorliegenden Fall sind Sorgen diesbezüglich nicht vonnöten, Sängerin Anna Persson kultiviert in ihren Texten mit ruhiger, sanfter Stimme ein Verhältnis zur Einsamkeit, wie man es auch bei den frühen Belle & Sebastian antrifft, mit der sich die Band dennoch nicht ohne weiteres vergleichen lassen würde. Sambassadeur sind mehr Pop als diese es in ihren Anfangstagen je waren, aber weniger, als auf deren letzten drei Studioalben und generell selten so detailverliebt wie die GlasgowerInnen. Ursache dafür ist eine Freude an großen, packenden Melodien, die sicher nur so lange als zuweilen etwas oberflächliche wirkt, bis der Frühling beginnt und uns im Sonnenschein zig Möglichkeiten zu Schwelgerei und bittersüßem Herzleid begegnen.

71

Label: Labrador

Referenzen: Camera Obscura, Hello Saferide, Cats on Fire, The Clientele, The Concretes, Pelle Carlberg, Hari & Aino, Shout Out Louds. Vancouver Nights, Ingenting

Links: Homepage / Myspace

VÖ: 19.03.2010

2 Kommentare zu “Rezension: Sambassadeur – European”

  1. Die gleiche Wertung hätte ich wahrscheinlich dem letzten Album auch gegeben, die Band macht eigentlich nichts anders als manch andere auch und ist trotz schöner Streicher theoretisch etwas zu verschlafen um einen richtig mitzureißen. Aber irgendwie höre ich die Platte bis heute immer noch verdammt gern, einem ersten Reinhören nach könnte sich das mit dieser hier wiederholen.

  2. Lennart sagt:

    jepp, da gebe ich Dir recht. allerdings ist es wichtig, dass eine band etwas, das es so vielleicht schon seit langem gibt, ins gedächtnis ruft und gewissermaßen wieder anbietet. vielleicht gibt’s ja 15jährige da draußen, die sich in genau diesem album wiederfinden, obwohl sie vorher irgendwelchen schlimmen crossover-rock gehört haben.

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