Atlas SoundLogos

Die Veröffentlichung des zweiten Deerhunter-Longplayers „Cryptograms“ im Januar 2007 entpuppte sich trotz anfangs attestierter Massenuntauglichkeit als bahnbrechender Durchbruch für die Herren aus Atlanta, Georgia. Seitdem kann die Band in der Musikpresse eine Art Omnipräsenz vorweisen. Und das ohne jeden Skandal.

Damals ließ sich freilich noch nicht erahnen, dass Bradford Cox mit und ohne Band in den verbleibenden 36 Monaten noch weitere drei bzw. vier Alben auf den Markt werfen, eine satte dreistellige Zahl von (Cover-)Songs kostenlos via bandeigenem Blog zur Verfügung stellen und nebenbei mit seiner Micromix-Reihe willkommene Anhaltspunkte für seine musikalischen Einflüsse preisgeben sollte; von dem unentwegten Touren mal ganz abgesehen. Ein verdammt nochmal gewitztes strategisches Modell in zeitgemäßer Ausführung. Der direkte Kontakt zu den Fans (teilweise durften sich Gäste des Blogs Songs wünschen, von denen Bradford dann in einer Art 8-Stunden-Mission seine eigene Version anfertigte) und das mit offenen Karten ausgetragene, gefährliche Spiel mit dem World Wide Web, das auch schon mal zu Ungunsten von Cox ausgeht (man denke allein an die ungewollte Verbreitung des letztjährigen Deerhunter-Werkes und der beinahe ein Jahr im Netz kursierenden, unfertigen Vorab-Version von „Logos“) zeichnen das Bild eines jungen Mannes, dessen Zielstrebigkeit imponiert.

Was „Cryptograms“ mit seinem damals noch sanften Richtungswechsel von einer krautigen, ambienten ersten zu einer dem Pop zumindest zuzwinkernden zweiten Hälfte schon andeutete, wurde durch das Erstwerk von Atlas Sound und Deerhunters letztjähriges umjubeltes Doppelalbum „Microcastle / Weird Era Cont“ bestätigt und findet in „Logos“ seine nur logische Fortsetzung. Trotz nach wie vor unüberschaubarem Detailreichtum scheinen sich die einzelnen Stücke nun vorsichtiger zu entblättern und auf böse Widerhaken zu verzichten, was sicherlich in den immer sichtbarer werdenden 60s Pop-Referenzen begründet liegen mag, die den Shoegaze-, Psychedelik- und Krautrock-Einflüssen mehr und mehr Paroli bieten. Ein Prozess, der erfreulicherweise ohne drohenden Persönlichkeitsverlust auskommt, sondern im Gegenteil nicht nur aufgrund der weniger verzerrten Vocals scharfe Konturen des Protagonisten erkennen lässt und mit einer gewissen Reife einhergeht. So lässt „Logos“ mehrmals die Stimmung kippen – etwa wenn das eher vernebelte „An Orchid“ die Sommerluft von der Panda-Bear-Kollaboration und stilvollen Dovers-Leihe „Walkabout“ schnuppert, oder sich das Rauschen des knapp 9-minütigen, von Stereolabs Laetitia Sadier gesungenen „Quick Canal“ langsam in die Hände des zurückhaltenden „My Halo“ begibt – ohne auch nur ansatzweise in Orientierungslosigkeit zu verfallen und führt den Hörer somit über einen reichlich abwechslungsreichen Pfad, an dessen Ende einen nicht mal mehr der eigene Tod vereinsamen lässt: „Shelia! Shelia! We´ll die alone together, die alone together.“

81

Label: 4AD / Beggars / Indigo

Referenzen: Panda Bear, Stereolab, The Beatles, City Center, My Bloody Valentine, The Beach Boys, Neil Young, Animal Collective, Dovers, Brian Eno

Links: Deerhunter Blog, MySpace

VÖ: 20.10.09 (US)

Ein Kommentar zu “Rezension: Atlas Sound – Logos”

  1. […] besteht wie eh und je. Aber auch die hochtrabenden Bezüge zu antiker Kultur, wofür schon „Logos“ stand, finden sich auf „Parallax“ z.B. in „Te Amo“ und „Terra Incognita“. Fast […]

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