Die beste Nachricht kam schon eine Woche davor: Morrissey ist wieder gesund und kann seine Tour in Luxemburg fortsetzen, nachdem er zuvor einige Auftritte in Frankreich und England absagen musste.

Die Freude war also groß, auch wenn die Vorbehalte gegen das Palladium von Anfang an erheblich waren – und begründet, wie sich herausstellen sollte. Um Schlag 21 Uhr betritt er mit seiner wiederum veränderten Band zu den erhabenen Klängen von Nina Simones Version von „You’ll Never Walk Alone“ die Bühne: Es ist bereits das emotionale Highlight eines Abends, der zwar exzellent für kurzweilige Unterhaltung sorgen, aber Tiefe vermissen lassen sollte.

Wenn man Morrissey eines nicht vorwerfen kann, dann, dass seine Auftritte nur eine Darbietung seiner größten Hits und bekanntesten Songs sind. Mit sehr viel Liebe zum Detail hat er auch für diese Tour wieder Stücke ausgesucht, die man nicht unbedingt erwartet hätte. Und so gesellt sich zu Unvermeidlichem wie dem Opener „This Charming Man“ auch Unbekannteres, allen voran die B-Seiten „The Loop“ und „I Keep Mine Hidden“. Morrissey fühlt sich im natürlich ausverkauften Palladium sofort wohl, ihm gelingt es, seine Qualitäten als Entertainer mit geringstem Aufwand (berlusconische Gesten, knappe Ansagen) auszuspielen. Dass dies ziemlich routiniert und ohne große Leidenschaft (auf beiden Seiten) geschieht, spielt hier keine Rolle. Die meisten Zuschauer im Publikum wissen ganz genau, was sie von einem Morrissey- Konzert erwarten können und was nicht und verhalten sich entsprechend reserviert. Die Stimmung ist nicht euphorisch, aber gelöst und wird in ihrem Gesamtbild lediglich durch die vermutlich für atmosphärische Konzerte generell wenig geeignete Architektur des Palladiums beeinträchtigt.

Und so sind es wieder einmal die Fußnoten und Spleens, die für einen gelungenen Abend sorgen. Allen voran die kleinen, aber feinen Textänderungen (You Could Meet Somebody Who Can Actually Stand You, „How Soon Is Now?“ oder Say Billy Budd, Yes You!, „Billy Budd“), die immer wieder für ein breites Grinsen unter Kennern sorgen; sowieso das obligatorische, mehrfache Ausziehen des Hemdes, das auch die letzten Reihen aus ihrer Lethargie erwachen und mit langen Hälsen gen Bühne blicken lässt. Ebenso die Torero- Geste vor „When I Last Spoke To Carol“, die trotz einer Kürze von handgestoppten zwei Sekunden mächtig Eindruck macht. Überhaupt verkauft Morrissey die Songs des neuen Albums „Years Of Refusal“ live erheblich besser als auf Platte, auf der sie größtenteils gelangweilt und blutleer erscheinen. Vielleicht die erfreulichste Erkenntnis des Abends, der nach kompakten 75 Minuten fulminant mit „First Of The Gang To Die“ endet.

Setlist:
This Charming Man
Billy Budd
Black Cloud
Ask
When Last I Spoke To Carol
How Can Anybody Possibly Know How I Feel?
How Soon Is Now?
I’m Throwing My Arms Around Paris
The World Is Full Of Crashing Bores
Girlfriend In A Coma
Why Don’t You Find Out For Yourself?
Seasick, Yet Still Docked
Some Girls Are Bigger Than Others
One Day Goodbye Will Be Farewell
I Keep Mine Hidden
Irish Blood, English Heart
Let Me Kiss You
The Loop
I’m Ok By Myself

First Of The Gang To Die

2 Kommentare zu “Rückspiegel: Morrissey in Köln im Palladium (11.06.2009)”

  1. Pascal sagt:

    berlusconische Gesten…

    Warum bin ich da nicht drauf gekommen, verdammt?:)

  2. pewaves sagt:

    Hallo,
    ich stand in der 1.Reihe und ich kann nur sagen, die Leute vorn sind ausgeflippt und haben alles gegeben.
    Ich fand weder sein Konzert blutleer und sein Album ist es meiner Meinung nach gar nicht. Ich finde es eher interessant, wie er sich entwickelt, die Songs sind druckvoller und ich finde das Album sehr abwechslungsreich.
    Für mich war es ein fantastisches Konzert. Er hat zwar nicht so viel gesprochen und es hätte länger sein können (von mir aus 3 Stunden lang!), aber 20 Songs finde ich jetzt auch nicht zu kurz…

    „berlusconische Gesten“ ist in der Tat ein toller Ausdruck ;)

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum