manicstreetpreachersDie Manics machen es sich nicht einfach. Normalerweise sind es ewig gestrige Fans, die von ihrer Lieblingsband eine Rückbesinnung auf das scheinbar stärkste Werk des Kataloges fordern, dafür aber nicht einmal ein müdes Lächeln ernten. Nicht so bei den drei Walisern: Seit einer gefühlten Ewigkeit, besser gesagt seit den letzten drei Alben, kündigen sie im Vorfeld starrsinnig ein zweites „The Holy Bible“ an: Für Erwachsene („Lifeblood“), für das Herz („Send Away the Tigers“) und nun eben „Journal for Plague Lovers“ mit den patentieren Lyrics Richey Edwards‘. Was bei manchem nur noch mitleidiges Schmunzeln hervorruft, ist aber eindeutig keine Marketingmasche; nein, die Manics können nicht anders. Zu sehr hängen sie noch an ihrem einstigen Kompagnon, zu tief ist er noch in ihrem Herzen verwurzelt, nicht nur als viertes Bandmitglied, sondern auch in der Erinnerung an eine innige Freundschaft, die seinerzeit sicherlich über das rein platonische Maß hinausging.

Äußerlich ist die Ankündigung wahr geworden. Jenny Saville steht erneut für das Albumcover Pate, der Opener „Peeled Apples“ startet mit einem ähnlich nihilistischen Statement wie damals „Yes“ (diesmal: Christian Bale in „El Maquinista“). Unter diesem Mantel entfaltet sich jedoch ein erstaunlich eigenständiges Werk, das erfreulicherweise eben keine zweite Version auch nur irgendeiner seiner Vorgänger ist. Wenn James Dean Bradfield in seiner unverkennbaren Haltung schon während der drei ersten Songs hervor prescht, als wäre er wieder 20 und in Seattle, nur um sich im anschließenden „This Joke Sport Severed“ den Geigen zu ergeben, wissen wir es endgültig: Auch „Journal for Plague Lovers“ setzt auf die drei bewährten Zutaten Wut, Leidenschaft und Zerbrechlichkeit, die wieder in einer komplett neuen Konstellation aufgearbeitet werden. Mehr noch: Selten sind offensive, punkige Songs und zarte, melancholische Fragmente so eindeutig voneinander abgrenzbar gewesen, umgekehrt haben sie sich auf kaum einem anderen Album zuvor so gut ergänzt.

Selbst der verbissene und höchst überflüssige Einsatz der Drum-Machine  („Marlon J.D.“) als vielleicht letzte wirkliche Reminiszenz an die alten Zeiten kann nicht überspielen, dass „Journal for Plague Lovers“ ein in seinen Grundfesten leichtes und entstaubtes Album ist. Natürlich sind Richey Edwards‘ Texte auch diesmal geprägt von Zweifel und Selbstreflexion (Sick Of Me, Stupid And Weak/ Those Most Worthy Are Denied/ Heautoscopy, Revile Him/ Always Wake Up Wasn’t Good Enough, „Doors Closing Slowly“). Doch nie am Sarkastischen kratzend oder zu überdreht, zwinkert sowohl in James Dean Bradfields Tonfall als auch in den Texten oft mehr als ein Auge, Humor ist eben, wenn man trotz all des Elends trotzdem lacht (Oh The Joy, Me And Stephen Hawking We Laugh/ We Missed The Sex Revolution When We Failed The Physical, „Me And Stephen Hawking“). Wenn es überhaupt eine geöffnete Pulsader geben sollte, dann „William’s Last Words“. Nicky Wire galt zurecht immer ein bisschen als musikalischer Outlaw des Trios. Doch die warmherzige Eindringlichkeit des von ihm vorgetragenen Closers bildet mehr als nur den würdigen Abschluss, sondern könnte schon andeuten, auf welche Pfade sich die Manics als nächstes begeben. Fazit: Serie ausgebaut, neun Studioalben ohne Durchhänger. Beachtlich.

7.3 / 10

Label: Sony

Referenzen: Nirvana, Idlewild, Mansun, James, R.E.M., Blur, Nine Inch Nails

Links: Homepage, MySpace

Spielzeit: 39:30

VÖ: 15.05.09

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