boxcutter-areciboIm Wissen um die immer noch frenetisch gefeierten Verästelungen von Dubstep und technoider Elektronik (vor allem im Londoner-Kerngebiet), belässt der Ire Barry Lynn alias Boxcutter es bei einer metaphysischen Grundidee, die als Essenz in allen Tracks spürbar bleibt. Egal, ob es sich dabei um unglamourösen 2Step, verqueren House oder fahnenflüchtigen Drum’n’Bass handelt. Im Gegensatz zu seinem sonstigen Schaffen filtert er auf „Arecibo Message“ weitestgehend die atmosphärischen Anteile und die bröseligen und dubbigen Zusatzdetails aus seiner Musik, die beim Vorgänger „Glyphic“ für etwas mehr Unruhe und Spannung gesorgt haben. Metallisches, Schockgefrorenes, Wabbeliges – „Arecibo Message“ belässt es bei den kühleren und leider auch etwas unbeteiligteren Zutaten und lässt die physische Macht der Tiefenbässe das Ihre tun. Das funktioniert beim lebendigen „Spacebass“ als auch beim beunruhigend treibenden „Sidetrak“ gleichermaßen gut. Die geschichteten Rhythmen wanken dabei immer vom Maximalen zum Subtilen und andersrum. Zurückgenommene Tracks wie der Vocal-Song „A Familiar Sound“ wechseln sich in ziemlicher Berechenbarkeit mit smarten Kickern ab.

Das Klangbild ist dabei aktuell, wenngleich die richtigen Neuerungen auch in Abgrenzung zu den Genre-Kollegen ausbleiben. Es stellt sich weder ein urbanes Frösteln ein, noch überrascht ein simuliertes Regengeister-Setting wie bei Burial. Das ist schade, denn ein wenig fehlt einigen Boxcutter-Tracks das hohe Assoziationspotenzial, das viele andere Dubstep-Titel besitzen und den Hörer hinabstoßen in unwirtliche Unterwasserwelten, inkludieren bei kernigen Schamanen-Ritualen oder einfach entgrenzen und gen Orbit fliegen lassen. Auf „Arecibo Message“ meint man, dass die ganze Konzentration in erster Linie auf der Produktion liegt – und nicht auf den Tricks, den Hörer mit Bilderstürmen zu überrennen. So bleibt vorwiegend der Einsatz in der Disco plausibel. Denn selbst wenn die Rhythmen gebrochen sind und die Beine nur verknotet zu den Synkopen tanzen können, bleibt das hier eindeutig urban gestylte Klubmusik, die zudem als Jogging-Motivator hervorragend ihren Dienst tut.

Die Klarheit in der Produktion, die Konsequenz in der eigenen Entwicklung lässt bei allen kritischen Anmerkungen genug Substanz erfahren, um dieses Album zu einem der stärksten Dubstep-Werke des immer noch jungen Jahres zu erklären. Barry Lynn hat die große Gabe, absolut zeitgemäß, jedoch nicht anbiedernd zu klingen – das ist ein Anspruch, den nur wenige Projekte mit Bravour erfüllen. Seine Vielzahl an Seitenprojekten lässt den Rückschluss zu, dass er es versteht, Entwicklungen zu antizipieren und weiterzudenken, so dass dieser Endzwanziger auch ein Kandidat für die Zukunft bleibt – viel mehr als es der gefeierte Martyn mit seinem Quantitätsoutput je sein wird.

7.0 / 10

Label: Planet Mu

Referenzen: Distance, iTAL tEK, Scuba, Kode9, 2562, Kromestar

Links: MySpace, Planet Mu

VÖ: 28.04.2009

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