Es bedarf einer ganzen Menge Geduld, sich die gut neunzig Minuten Musik auf „Big Wheel And Others“ anzuhören, kennt man Cass McCombs schließlich als akribischen, hörenswerten Texter und filigranen und pedantischen Musiker. Doch das Durchhalten lohnt.

Bereits auf den vergangenen Alben erkannte man beim gebürtigen Kalifornier waidwunde Themen eingebettet in Melodien, deren bittersüßer Nachhall erst auf den zweiten Blick wahrhaftig wurde. Vor allem das grandiose „Wit’s End“ verband diese Punkte meisterhaft, während der Nachfolger „Humor Risk“ beinahe nüchtern, klar und unaufgeregt daherkam. Während die letzten beiden Alben binnen eines Jahres veröffentlicht wurden und so genommen eine Art Doppelalbum bildeten, scheint McCombs die Gelegenheit dieses Mal vollends beim Schopf packen zu wollen und veröffentlicht mit „Big Wheel And Others“ zweiundzwanzig thematisch locker verbundene Stücke, die weitestgehend Werkschau, Bestandsaufnahme und Ausblick zugleich darstellen.

Lugt nach dem Intro „Sean I“ reichlich Wildwest-Feeling hinter der Ecke hervor, wechselt McCombs auf dem Album ungeheuer häufig Richtung und Duktus. „Big Wheel“ atmet Roadmovie-Staub, „Angel Blood“ barmt mit den einsamen Wölfen um die Wette und „Morning Star“ verzweifelt an der Grenze zwischen Tag und Nacht in ätherischem Wohlklang. Wohl dem, der nach diesem fesselnden Auftritt sein Pulver noch nicht verschossen hat.

„The Burning Of The Temple, 2012“ ist spiritueller Grenzgang und musikalisch sicherlich die am meisten logische Konsequenz der Vorgängerwerke. Das Saxophon suhlt sich in perkussiver Stoik, McCombs singt „Cry In The Shadow Of Love“ und betört mit unheilschwangerer, ja fast religiöser Wehmut. Hier fällt es leicht, dem aufgenommenen Faden zu folgen. McCombs arrangiert sich mit seinen reichhaltigen musikalischen Quellen, lässt die Steel-Gitarren teilweise in wagemutigen Seufzerschlenkern erklingen und traut sich, das wundervolle „Brighter!“ gleich in zweifacher Ausfertigung auf dem Album – wenn auch getrennt voneinander – unterzubringen. Dass die zweite Version von der leider gerade verstorbenen Karen Black begleitet wird, die bereits auf „Catacombs“ so fulminant das „Dream-come-true-Girl“ gegeben hatte, soll dabei nicht unerwähnt bleiben.

Es sind wie immer die ausgefeilten Arrangements, die den Ton angeben. Ob beim verschmitzt vor sich hin pendelnden „There Can Be Only One“ oder dem durch dunkle Gitarrenwälder stapfenden „Joe Murder“, jedem Stück wird etwas Besonders zuteil – Letzterem ein blechernes, dissonantes Saxophon, das sich von hinten in die geisterhafte Szenerie hinein beißt. Dass McCombs auf seinem Album dabei nur so vor Experimentierfreude sprüht, merkt man „Big Wheel And Others“ zu jeder Sekunde an. Lautmalerischer, halb gesprochener Gesang, der sich beschwörend an die Folkvergangenheit der 60er- und 70er-Jahre anlehnt, Flöten und Schellen an seiner Seite weiß und sich fast grenzenlos auszudehnen scheint, wechselt wahlweise mit fast schon metallenen Klangeskapaden ab oder verwandelt sich in freie, sich fern jeglicher Kompositionsregel haltende Songs.

Ein instrumentaler Popsong, angejazzt und angenehm rhythmisiert, eröffnet den zweiten Teil des Reigens überraschend einfach und leicht zu fassen, nachdem die beginnende Schwere zum Ende des ersten Teils ein wenig Luftholen erfordert. Mit erneut leichter Hand erzeugt McCombs mit „Dealing“ diesen wiederum anfänglichen Wohlfühlmoment, der nur zwei Stücke später durch das barsche und höchst ungewöhnliche „Satan Is My Toy“ gebrochen wird. Eine Aufmerksamkeitshybris, die er leider bis zum Ende nicht mehr vollends ablegen kann, trotz der wohlfeilen zweiten „Brighter!“-Version und der ebenso fließenden sich wieder stärker an der zu Beginn aufgenommenen Countrystimmung, welche vor allem im fabelhaften „Home On The Range“ zu spüren ist.

Ein wirklicher Schwachpunkt lässt sich auf „Big Wheel And Other“ nicht ausmachen, allein erfordert die zweite Albumhälfte einen anderen Zugang. Kann beim ersten noch jedem Song ein gewisses Attribut zugeordnet werden, besticht der zweite Teil bis auf das erwähnte „Satan Is My Toy“ durch einen einlullenden Wohlklang, der den Fluss zwar vorantreibt, dabei aber die volle Aufmerksamkeit fordert.

McCombs reiht sich in die Schlange produktiver Songwriter der letzten Zeit ein und hat bei gleichbleibendem Tempo und Qualität gute Chancen, zu den Führenden aufzuschließen. Für den Moment schafft er aber vor allem eins: das beste Songwriter-Doppelalbum des Jahres.

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