KelelaCUT 4 ME
Tweet |
Label:
Fade To Mind
VÖ:
01.10.2013
Referenzen:
FKA twigs, Jessy Lanza, Natasha Kmeto, Dawn Richard, DJ Earl
|
Autor: |
Uli Eulenbruch |
Ihr Artwork mag vielleicht digitale Puristik vorgaukeln, aber von der ersten Single (Moscas „Square One“) an waren Vocals zentraler Bestandteil vieler Veröffentlichungen des britischen Labels Night Slugs und seines US-Ablegers Fade To Mind. Meist erscheinen sie dabei nur als verhallte, gepitchte Transformationen kurzer Stimmschnippsel wie in Girl Units „Wut” oder Kingdoms „Stalker Ha”, spätestens aber die verlässlich exquisiten Mixe aus der beatvisionären NS/FTM-Familie machen ihre Verehrung für und Anbindung an R’n’B deutlich.
Im Vordergrund stehen dabei Frauenstimmen – Männer erscheinen meist als anonyme Masse, die als Beatergänzung knappe „Hey”s und „Whoa”s grölt – , doch selbst bei eigens eingespielten Vocals wie Kingdoms Singles mit Naomi Allen und Shyvonne blieben bislang Produzenten die leitende Figur. Das nicht nur in dieser Hinsicht revolutionäre Debütmixtape von Kelela dreht jedoch den Spieß um, mit „CUT 4 ME“ führt die Washingtonerin ein Allstar-Produktionsteam aus Nachtschnecken und Hirnverblassern in den futuristischsten R’n’B-Entwurf des Jahres. Die globale Bassfusion aus (unter anderem) Grime, Dubstep, Baltimore Club, Footwork, Dub, UKG und House, aus der die Labels mehr eine gemeinsame Soundphilosophie als eine klar umrissene Ästhetik beziehen, nimmt auf einem Dutzend bemerkenswert stimmiger Songs außerirdisch kühle Formen an, deren Gestalt Kelela mehr als Stimme und Gesicht verleiht: Sie gibt ihnen eine Seele.
Besonders strukturell unkonventionell verlaufende Instrumentals wie „Do It Again” (produziert von Nguzunguzus einer Hälfte NA), das spätnächtliche Neon-Synthläufe mit vereinzelten, zerfasernden Anschlägen dramatisch vorantreibt, würden sich unbequem an schematischem Songwriting reiben, doch Kelela zeigt ein intuitives Verständnis für ihre Topologie und Wirkung. In diesem Fall zielt sie auf die Leerräume ab und schraubt die Spannung an, indem sie die Titelworte fast im Sekundentakt immer wieder so schnell wie möglich aneinanderreiht. Ihr bis dahin parallel darüber laufender Gesang wandelt sich selbst in Repetition, als das Stück im letzten Drittel in schnelleres Drum-Pochen übergeht, die Bassenergie des dichteren, durchklatschten „Bank Head” (Kingdom) hingegen kontert sie mit Falsett und einem nüchtern abgehackten „Time /goes /by /really slow”, was das Stück noch weiter erstreckt wirken lässt.
„CUT 4 ME” bietet viel Negativraum zwischen Beats und durch schmale Glasröhren verlaufenden Melodieimpulsen, wenn die Bassvibrationen von „Go All Night” (Morri$) oder „Floor Show” (Girl Unit) nicht rhythmisch eng grooven, sondern ohne spürbaren Initialanschlag lange gehalten werden. Meist verleiht Kelela selbst den größten Aussparungen Richtung und eine ätherische Anmut, „Something Else” (Nguzunguzu) hingegen tritt eher auf der Stelle als erhaben zu gleiten, wenn sie zu passiv wird. Auf „Send Me Out” und dem Titelstück (beide produziert von Kingdom) kann sie dafür stimmlich in die Vollen langen, auch in „Keep It Cool” behält sie den Durchblick in Jam Citys imposantem Cyberdschungel. „CUT 4 ME” mag ein gelegentlich transzendenter Entwurf statt formvollendetes Meisterwerk bleiben, das macht es aber keinen Deut weniger erfahrenswert – und ist eigentlich auch das, was man eher von einem Mixtape erwarten würde. Die Arbeiten an ihrem Album sind bereits in vollem Gange, die Zukunft hören kann man aber schon jetzt.