Anna CalviOne Breath

Eigentlich wollte ich Anna Calvi ja bereits ihr letztes Album übelnehmen. Schließlich hatte sie es versäumt, darin den wunderbaren Vorboten „Jezebel“ mit aufzunehmen und so musste ich mit guten, jedoch eben nicht herausragenden Songs vorlieb nehmen. Diesmal hat Calvi ihrem Album als Single „Eliza“ vorausgeschickt und wieder war die Erwartungshaltung entsprechend groß. Schaffte es wenigstens diese fabelhafte kleine Moritat in das Gesamtbild?

Erfahrungsgemäß neigt Anna Calvi weiterhin zum Drama. Sicherlich ist das auch das am meisten hervorzuhebende Attribut, das ihre Musik und Texte auszeichnet und das allein durch das bebende Stimmtimbre der Gitarristin eklatant in den Vordergrund gerückt wird. Calvi spielt auf „One Breath“ mit den Erinnerungen und schlägt gleich zu Beginn mit „Suddenly“ euphorische Wellen, die jedoch von ihren düsteren Gedanken geschickt kontrastiert werden.

Insgesamt scheint Calvi sich zusammen mit dem Produzenten John Congleton die eine oder andere Schüppe mehr an Experimentierlust zugelegt zu haben. Das wirkt zuweilen ganz aufregend, wie im zerfasernden „Piece By Piece“, das sich nach und nach in seine Bestandteile auflöst und vor Gewalt zerspringt. Beim darauf folgenden „Cry“ kriegt der Hang zur tonalen Explosion dann aber zuviel Druck, so dass der eigentlich liebliche Ton des Songs ein Stück aus dem Ruder läuft.

Sie will viel, greift zuweilen wieder in den Topf mit der geheimnisvollen Extrazutat „Zitterstimme“, welche die Songs auf dem Debüt dramatisiert und ein wenig überschminkt hatte. So würde „Tristan“ mit weniger Hall vermutlich den anklagenden Ton verlieren, käme aber eben auch nicht so überkandidelt daher. Dass darüber hinaus die Chöre und choralen Elemente in nahezu jedem Stück eine gewichtige Rolle spielen und dass häufig mit ähnlichen Steigerungsmomenten gearbeitet wird, sorgt doch für die eine oder andere Ermüdungserscheinung.

Nichtsdestotrotz zeigt Calvi auf Albumlänge genügend Facetten, um nicht zwangsläufig als die Sängerin mit viel zu viel Mascara zu gelten. So flimmert der Titelsong einer erlösenden neoklassischen Streicherminiatur entgegen und fungiert als irisierender Ausgleich inmitten der erwarteten Tristesse. Erfrischend ist in dem Zusammenhang auch das berstende „Love Of My Life“ mit brodelnder Gitarre und einer Wut in der Stimme, die ihresgleichen sucht. Es ist wohl die bereits im Vorwort erwähnte Stille nach dem Schuss, die fast jedem Teil dieses kurzen Moments anhaftet, den das Album umschreibt. Dieses ganz kurze Innehalten nach dem Auslösen, dieser Punkt, an dem alles stehen bleibt.

Und was ist jetzt mit „Eliza“? Aufs Album geschafft hat sie es ja und in den Kontext passt die Single auch. Nur schade, dass ein Teil des Albums eben nicht ganz diese Güte hat.

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