Feministin oder gar halb Roboter? Stilikone Janelle Monáe führt das große Konzept ihres musikalischen Schaffens weiter und zeigt sich auch in „Suite IV“ und „V“ übermenschlich. Ihr Grandezza-Soul spannt Brücken vom Jetzt bis weit in die Vergangenheit und übt sich im Außenblick, der ihr erlaubt, mit Charakteren und Themen spielerisch umzugehen.

Sinnbildlich hierfür steht ihre Transformation zum Alter Ego Cindi Mayweather, die als androider Messias die Maßstäbe setzt. Schauplatz: das stark an Fritz Langs gleichnamiges Science-Fiction-Szenario angelehnte Metropolis. Ebenso gigantisch wie das Stummfilm-Meisterwerk ist auch das zweite Album von Monáe angelegt, durch das der Charakter DJ Crash Crash in Zwischenstücken wie durch eine 19-Track-Radioshow führt. „The Electric Lady“ inszeniert sich mit Orchester, Pomp und großem Getöse und schickt sich bisweilen an, das Spektakel des Jahres sein zu wollen. Superkräfte inklusive. Cindi Mayweather beeindruckt damit flächendeckend die Androidenwelt – Superkräfte, die es vermögen, jegliche Geschlechts-, Status- und ethnologischen Unterschiede zu überwinden.

„Love, not war, we are tired of the fires“, doziert der Moderator in pathetischem Ton. Mayweather hat die Kraft, die Welt zu verändern und den ideologischen Geist, den es braucht, um dabei das nötige Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln. Weibliche Anruferinnen proklamieren in diesen Zwischenspielen die Sisterhood, die Monáe mit ihren zahlreichen Kollaborateurinnen – Erykah Badu, Solange und Esperanza Spalding – dort konsequent fortsetzt. Aber auch Miguel und Monáe gestehen sich in der traumhaftesten Soul-Ballade „Primetime“ gegenseitig ihre Liebe. „While I had something to say from the female perspective, he can communicate with women in a way that’s poetic and beautiful.“ Spätestens mit Princes Auftritt wird klar, dass es sich hier um (zeit)gemäßigten Feminismus handelt.

Zu gern würde Monáe dieses Szenario der verbesserten Welt gänzlich in die Realität übertragen. Ein Stück von ihrer fiktionalen Hybris spiegelt sich tatsächlich im schier fantastischen Facettenreichtum der musikalischen Palette wieder. Nie wirkt der von Bo Diddley inspirierte Rock’n’Roll („Dance Apocalyptic“) neben dem schmalzigen Soulduett mit Miguel unorganisch. Nie scheint die Eröffnung der vierten Suite, die dem „Django Unchained“-Soundtrack entstammen könnte, neben „Electric Lady“, das mit Solanges Rap und Gospelelementen spielt, deplatziert. Diese selbstverständliche Grenzüberschreitung ist Monáes Real-Life-Errungenschaft. Sie zeigt, wie viel möglich ist. Einziger Wermutstropfen: Gelegentlich leidet sie unter ihrer Überladung – in den Momenten, in denen man realisiert, dass auch das Intro zu „Hercules“ in diesem Gesamtwerk nicht als störend empfunden worden wäre oder „What An Experience“ mit seinem Off-Beat auch gut als Finale des „König der Löwen“-Musicals funktioniert hätte.

Diese Gefahr der Disneyfizierung rührt letztlich von Monáes großer Grandiosität, die von Beginn an ihr künstlerisches Schaffen zeichnet. Selten zeigt sie sich in Worten, vielmehr findet sie Ausdruck in der gehaltvollen musikalischen Gestaltung: In Metropolis bedeutet das virtuose Leichtigkeit, wenn Monáes Stimme scheinbar mühelos die größten Tonhöhen erklettert und Unvereinbares vereinbar macht. Es bedeutet Geschichte, wenn Roboterstimmen das Szenario formen, das sonst allein mit persönlich-phrasenartiger Liebeslyrik nur unzureichend definiert gewesen wäre. Leichtfüßig und stilsicher bewegt sich Janelle Monáe durch diese von ihr erschaffene Welt, die ein lebenswertes, lady-likes Leben der Zukunft zeigt und einmal mehr als Argument für epische Konzeptkunst funktioniert.

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum