Zu Tropic Of Cancer und Blackest Ever Black, von denen ich vorher noch nie gehört hatte, bin ich seinerzeit über den Newsletter von Bleep gekommen. Die Briten hatten deren 12″ „The Sorrow Of Two Blooms“ derartig abgefeiert, dass meine Neugier geweckt war und ich dieses Stück schwarzen Vinyls einfach haben musste. Als die Scheibe dann mit der Post bei mir eintraf und der erste Klang des auf dem Plattenteller rotierenden Vinyls erklang, wurde mir schlagartig klar, warum das Label, welches diese Musik veröffentlicht, einfach Blackest Ever Black heißen musste.

Neben dem Minimalismus und der unnatürlichen Gefrierhauskälte, welche die Musik von Camella Lobo und Juan Mendez ausstrahlte, wirkte vieles, was mit „Goth“, „Industrial“ oder „Post-Irgendwas“ bezeichnet wird wie fröhliche Kirmesmusik für schwarz verkleidete Wochenend-Hobbyokkultisten und Fetischpartygänger mit Klingonenstiefeln. Die minimale Elektronik – meist nur eine in den letzten Zügen stoisch vor sich hin pluckernde Drum Machine und Permafrost-Streicher, ab und an begleitet durch gezupfte Gitarrenfiguren und/oder rudimentäres Bassspiel – in Kombination mit Lobos ausdruckslosem (ich liebe hier das englische „deadpan“, es klingt so was von besser und enthält bezeichnenderweise noch das Wörtchen „dead“) Gesang öffneten eine Büchse der Pandora, aus der es zumindest für mich kein Entkommen mehr gab. Ich muss mich seitdem als devoter Fan outen, der von da an alles von dieser Band haben musste, von der Songsammlung „The End Of All Things“ bis zur letzten EP „I Feel Nothing“, die Lobo schon solo aufnahm.

Was umso erstaunlicher ist, da die Musik von Tropic Of Cancer weder besonders ereignisreich, geschweige denn abwechslungsreich zu nennen ist und sich auch nicht zum einfachen Konsum mal eben zwischendurch anbietet. Wahrscheinlich wird es nicht wenige geben, die sie einfach nur todlangweilig finden werden. Der Musik sind sämtliche Rockismen sowie Pathos und Theatralik, wie sie auf ähnlichem Terrain Zola Jesus pflegt, und jegliche Partytauglichkeit ausgetrieben. Was macht also ihren Reiz aus? Es sind die unglaubliche Strenge des Konzeptes (kongenial visuell umgesetzt zum Beispiel bei Room 205), das Ändern und Neujustieren der individuellen Zeitwahrnehmung, das Aus-der-Zeit-gefallene, das feine, zugleich eisige und lichte Leichentuch, das Tropic Of Cancer weben und über das Hier und Jetzt ausbreiten und die sich aus all dem ergebende Erhabenheit, die Tropic Of Cancer so solitär funkeln lassen. Blackest Ever Black hat sich seit dieser Begegnung zu einem meiner absoluten Lieblingslabel gemausert, das immer wieder zu überraschen weiß, zuletzt mit der Veröffentlichung von Raspberry Bulbs.

„Restless Idylls“ markiert nun das erste Album, das Camella Lobo solo als Tropic Of Cancer eingespielt hat. Entwickeln sich daraus gravierende musikalische Auswirkungen? Nein, das war auch, wie schon die „I Feel Nothing“-EP klar machte und von der es „Children Of A Lesser God“ aufs Album geschafft hat, nicht zu erwarten. Denn das Gesamtkunstwerk war bei Tropic Of Cancer schon immer stärker, wichtiger und größer als individuelle Befindlichkeiten. So wird der Faden, der irgendwo einmal aufgenommen wurde, weiter gesponnen und das ist mehr als begrüßenswert.

Man muss die Musik von Tropic Of Cancer nicht unbedingt oft hören, aber es ist ungemein beruhigend zu wissen, dass man sie hat.

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