Psychic TeensCOME

Der US-Untergrund brodelt derzeit, nicht nur im (Post-)Black-Metal- oder 60er-Psychedelic-Garage-Bereich. Nein, auch die Spät-80er des Post-Hardcore und der Am-Rep-Noise-Schule erfreuen sich derzeit großer Beliebtheit. Sicherlich, ganz verschwunden war diese Spielart des US-Indierocks nie, es gab immer einige mehr oder weniger bekannte Bands, von denen hier nur Pissed Jeans als Beispiel Erwähnung finden soll, die diese Flagge weiter freudig vorsichhertrugen. Aber langsam kann man, mit Veröffentlichungen von Nü Sensae, The Men, METZ, Milk Music, Destruction Unit und Raspberry Bulbs, schon von einer gefühlten Welle sprechen. Die nächste Woge, die uns geplättet an die Klippen schmettert, kommt aus Philadelphia und hört auf den freundlichen Namen Psychic Teens.

Bilder der Band zeigen uns ein nicht mehr ganz blutjung aussehendes Trio, aber das Inferno, das sie musikalisch entfachen lässt vermuten, dass sie achtarmige Mutanten sein müssen und mehrere Klangerzeuger gleichzeitig malträtieren. Der so erzeugte Stresslevel wird durchweg im roten Bereich gehalten und dazu sind ihnen auf ihrem Debüt „COME“ alle Mittel recht, zum Beispiel auch atonales Getröte wie in „H#TE“. Ansonsten heißt auch hier Fuzz das Zauberwort und es kommen neben hochgezüchteten Effektboards vermutlich sogar antiquierte Kisten wie ein Big Muff zum Einsatz, dem Mudhoney bekanntlich eine eigene EP widmeten. Aber da wo die Ahnen teilweise noch hoch psychotrope, verzehrt-vertrackte Muckersoli aus ihren Gitarren gedroschen haben, ist der höchste Grad musikalischer Ekstase bei Psychic Teens das weiße Rauschen.

In dieser Hinsicht sind sie Destruction Unit nicht ganz unähnlich. Aber wo diese Psychedelic durch ihre Effekte induzieren und kanalisieren, herrscht bei den Psychic Teens nicht transzendenter Hirnfick, sondern ausgelassene Hinterhofsparanoia. Dazu trägt mit Sicherheit auch Larry Ragones zwischen monoton und offensiv misanthrop changierender Gesangsstil bei, der mich von seiner Melodieführung an Mr. Dream erinnert. Inhaltlich haben sich Psychic Teens voll und ganz den sinisteren Seiten der humanen Existenz verschrieben. Obendrein schaffen sie es in überzeugender Weise, ihre Musik frei von überflüssigem Zierrat zu halten, man möchte sogar von einem gewissen Grad an Notenminimalismus sprechen, wovon auch simple Songtitel wie „NO“, „H#TE“, „RIP“, „LUST“ oder „LESS“ Zeugnis ablegen. Passagen zum Luftholen werden eigentlich erst im letzten Drittel der Platte angeboten, wobei: Zu sehr einlullen lassen sollte man sich nicht, die nächste Hirnsäge lauert schon.

Und wenn dann mit „VEIL“ der letzte Song und diese hoch intensiven 40 Minuten vorbei sind, sollte man sich nicht vom ersten Eindruck überwältigt aufs Sofa sinken lassen, sondern lieber schnell „Repeat“ drücken. Denn man kommt – spätestens nach dem dritten Durchlauf – nicht umhin, sich über den teilweise mit Hymnenhaftigkeit gepaarten Popappeal zu freuen und festzustellen, dass man es mit einer verdammt guten Platte zu tun hat. Für mich eine der Entdeckungen des Jahres; wer hätte schon gedacht, dass Superfuzz-Big-Muff-Killdozer-Big-Black-Cows in 2013 so was von frisch und eigenständig klingen könnten. Chapeau!

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