Seine roten Haare und der urbritische Akzent sind sein Markenzeichen und wenn man es nicht besser wüsste, dann, nun ja, dann könnte man ihn auch für einen jungen Haudrauf halten, der sich am Wochenende gerne mit reichlich billigem Alkohol und kleinen Schlägereien von seiner Perspektivenlosigkeit ablenkt. Doch in Wirklichkeit ist er das britische Wunderkind der Stunde und somit nach Jake Bugg und Palma Violets schon mindestens der dritte Act, der dieses Jahr auserkoren wurde, Englands Pop-Vorherrschaft wieder herzustellen. Speziell im Hinblick auf die Fünf-Jahres-Wertung ist da ja durchaus Platz nach oben, überlegt man, wie stark sich Kanada und die Vereinigten Staaten zuletzt zeigten.

King Krule heißt in Wirklichkeit Archy Marshall und hat für seine schlanken 19 Jahre schon erstaunlich viel Musik unter die Leute gebracht. Allerdings – und das ist fast noch erstaunlicher – eben nicht unter dem Pseudonym King Krule, sondern als Zoo Kid, Edgar The Beatmaker oder DJ JD Sports. „6 Feet Beneath The Moon“ ist nun sein Königs-Debüt und die Presse überschlägt sich vor Lobeshymnen auf den jungen Bengel. In gewisser Weise verständlich: Seine Songs klingen erstaunlich einzigartig, auch wenn sie manches Mal eher den Eindruck unfertiger Skizzen vermitteln. Das mag mitunter auch daran liegen, dass sich Marshall nicht auf ein Genre festnageln lässt. Man meint verschiedenste Stile und Ausdrucksformen ausmachen zu können; sicherlich eine gewisse Mike-Skinner-Schnodderigkeit, die sich in den Beobachtungen Marshalls manifestieren. The Clash eh, denn ohne Joe Strummer und Co. geht ja im britischen Pop-Zirkus wenig. Vielleicht auch ein paar Einflüsse der Class of 2005, aber nur in homöopathischen Dosen und auch da eher mit den schludrigen Bands in Gedanken. Denn eines ist klar: Wäre King Krule ein Fußballer, dann wahrscheinlich eher Paul Gascoigne als David Beckham.

Seine Platte beginnt mit einer rüpeligen Schrammelgitarre und seinem heiseren Flehen, „Easy Easy“ heißt der Opener, doch so richtig easy klingt das letztendlich irgendwie nicht. Seine Geschichten handeln vom Scheitern, Aufstehen, Scheitern, vom Außenseiterdasein und schlechter Laune. All das verpackt er in Songs, die manchmal recht unfertig erscheinen. King Krule skizziert oft nur und verbaut sich damit die Chancen auf ein Album mit unverschämt hoher Hitdichte. Nun, sehr wahrscheinlich legt Archy Marshall darauf auch keinen Wert, schließlich ist er kein Arctic Monkey, kein Jack Peñate, kein Peter Doherty. Strophen und Refrains werden hier nicht herkömmlich aneinander gereiht, sondern passieren einfach eher zufällig und wenn es mal ganz anders kommt, dann sei es eben genau so. „Has This Hit?“ wirkt so zum Beispiel wie ein Stück, das sich situationsbedingt ergab, vielleicht als Resultat automatischen Schreibens, vielleicht auch kalkuliert-unkalkuliert, auf jeden Fall aber mit viel Rotz in den Nebenhöhlen und dem Herz auf der sprichwörtlichen Zunge.

Am besten ist King Krule immer in den flirrenden Momenten, in denen man sich selbst durch nächtliche Straßen schlendern sieht – der Wein und die Liebe schon längst zu Kopf gestiegen. „Foreign 2“ ist ein solches Stück, vor allem aber auch „The Krockadile“. Das ist der Blues der Neuzeit, ohne wirklich Blues zu sein, aber man spürt Unbehagen, Aufbruchsstimmung, das Zittern in den Gliedern. Gerne hätte King Krule dieses Gefühl noch häufiger evozieren dürfen, speziell der Jazz, der sich durch den stärksten Song des Albums, „A Lizard State“, zieht, macht enorme Lust auf zügellose Bläser, sich überschlagende Gitarren und tripelnde Drums. Dazu der zarte Schmelz von Krules zartbitterer Stimme und fertig ist die Laube. Dass er das Niveau dieser Stücke nicht immer halten kann – egal. Sein Debüt zählt auch so zu den spannenderen des Jahres.

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