BraidsFlourish // Perish

Wer hätte es gedacht: Perfektion ist auch immer ein wenig langweilig. Das neue Album von Braids ist unfassbar gut, wenn man seine Einzelteile betrachtet. Auf ihrem Instagram-Blog machen sie Fotos von Hunden, beim Rasieren, von Apple-Computern und verlassenen Plätzen auf Tour. Das Leben des Trios scheint spannend zu sein, nur hat es dieser Reiz nicht ganz auf die Platte geschafft. „Flourish // Perish“ ist eine Spur zu brav und bietet weniger Kanten als die Dinge, die sonst aus Montreal so zu uns strömen.

Die ehemals vier Bandmitglieder spielten schon als Teenager zusammen auf und rissen mit ihrem Debütalbum „Native Speaker“ nahezu alle Kritiker zu Begeisterungsstürmen hin. Was auch beim zweiten Album nachvollziehbar bleibt, denn „Flourish // Perish“ ist soviel besser als manch andere Dinge, die sich dem Dream Pop verschrieben haben. Dennoch kann auch eine Schachtel voll Perlen auf hohem Niveau plätschern. „Victoria“ schlägt ganz leise, zaghafte Töne an, die die Stimme von Raphaelle Standelle-Preston aus dem Stand unfassbar präsent macht. Die Lyrics von „December“ bleiben auch nach mehrfachem Hören unverständlich, es tritt aufgrund der großen Eingängigkeit des Refrains der Sigur-Rós-Effekt ein, dass man zumindest versucht, mitzusummen. „Hossak“ erinnert in seiner Art fast ein wenig an frühe Stücke Björks und hüpft verspielt und im besten Sinne simpel über die Tonleiter. „Girl“ beginnt so fragil, dass man es in eine Kiste mit Holzwolle packen möchte – ein Gefühl, das einen das gesamte Album über nicht los lässt: transparent, durchscheinend, fast zu leicht für einen Konsum nebenher; voller Herzblut, aber dennoch über Etappen manchmal etwas blass und blutleer; die Stimme entrückt aus einer anderen Welt, die Instrumentierung schleppend hypnotisch.

Es scheint nicht fair, das Album nach der Summe seiner Teile zu beurteilen, denn jedes Teil für sich vermag im Lichte des Tages zu glänzen. Über die gesamte Albumstrecke hinweg stellt „Flourish // Perish“ jedoch nicht ganz die Bindung und Faszination her, die die Einzelsegmente versprechen. Immer wieder erwischt sich der Hörer dabei, von Details eingenommen zu werden, mit Braids hinwegzugleiten. Dafür sind Songs wie der 8:26 Minuten lange „Together“ und vor allem die Single „In Kind“ bestens geeignet, weil sie eine Geschichte erzählen und nicht in sich verharren wie „Juniper“, der eher auf der Stelle tanzt. Hier und da ein Beat und eine Steigerung mehr, wir hätten die Perfektion erlebt. Aber das ist Jammern an hohem Niveau.

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum