Destruction UnitDeep Trip
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Label:
Sacred Bones
VÖ:
16.08.2013
Referenzen:
Milk Music, Chrome, Ty Segall Band, The Men, Merchandise
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Autor: |
Mark-Oliver Schröder |
Kann man eigentlich schon von einem Revival oder zumindest einem zu beobachtenden Trend sprechen? Seit geraumer Zeit tauchen vermehrt Bands auf, die sich – wenn auch nicht immer explizit, doch hörbar – auf die musikalische Periode des Umbruchs Ende der 80er, Anfang der 90er, auf Post-Hardcore, Am-Rep-Noise, aber eindeutig Pre-Grunge beziehen. Da wären zum Beispiel The Men mit „Leave Home“ oder mit leichten Abstrichen auch das Œuvre der Japandroids, 2012 veröffentlichten METZ, Nü Sensae oder Swearin‘ tolle Alben und dieses Jahr folgten feine Veröffentlichungen von Milk Music, Raspberry Bulbs und eben Destruction Unit.
Die Band aus Tempe, Arizona (Ist es eigentlich ein Zufall, dass viele Protagonisten des alten und auch des neuen Noiserock oft aus der musikalischen Diaspora und nicht aus Hipstermetropolen kommen?) ist jedenfalls nicht ganz neu auf der Bildfläche, discogs.com verzeichnet sechs Alben seit 2003. Gegründet wurde Destruction Unit von Ryan Rousseau zu einer Zeit, als dieser noch bei den Reatards spielte und so verwundert es auch nicht, dass der leider mittlerweile verstorbene Jay Reatard auf den ersten EPs von Rousseaus Band mitspielte. Aus dem anfänglichen Quartett ist inzwischen ein Quintett geworden und mit „Deep Trip“ präsentiert die Band ihr siebtes Album, nach „Void“ vom Februar ist es bereits ihr zweites dieses Jahr.
Hört man beide Alben, fällt ein gehöriger Unterschied zwischen „Void“ und „Deep Trip“ auf. Könnte man „Void“ noch als sinisteren, dunklen Bruder von beispielsweise The Mens „Open Your Heart“ bezeichnen, der in einem Kühlhaus mitten in der Wüste eingespielt wurde, erweist sich „Deep Trip“ als aus ganz anderem Eis gemeißelt. Wirkte „Void“ streckenweise noch jamhaft fast improvisiert, spielt die Band auf „Deep Trip“ trotz der streckenweise rauschhaften Soundkaskaden wesentlich fokussierter. Dabei erscheint die Struktur einzelner Songs und deren Darbietung geradezu brutal. Wo „Void“ noch klassisch zwischen den einzelnen Songs trennt, bricht „Deep Trip“ wie ein sich kontinuierlich fortbewegender Mahlstrom, der keine Grenzen zwischen den Songs mehr erkennen lässt, über den Hörer herein – das Wort „Trip“ im Titel ist also durchaus wörtlich zu nehmen.
Dieser Gesamteindruck aus brutal und trippig ist sicherlich auch den Gitarren geschuldet, von denen sich Destruktion Unit nicht weniger als drei gönnen. Es wäre sicher untertrieben, zu behaupten, sie würden ihren Sound nicht nachhaltig beeinflussen: Diese drei Sechssaiter lassen eine Verzerrungs-, Hall- und Phaser-Wall-of-Noise losbrechen, aus der es kaum ein Entrinnen gibt, die sich streckenweise im Zusammenspiel mit Bass und Schlagzeug, wie bei „Final Flight“, bis zu einer dichten Walze aus White Noise verdichtet. Bei all dem versteht es die Band trotzdem, über weite Strecken zugänglich, beinahe catchy zu bleiben und die Waage zwischen noisig-unterkühltem Post-Punk (diese Assoziation legt auch Rousseaus Gesangsstil nahe) und trippiger Hochgeschwindigkeits-Außerweltlichkeit in der Schwebe zu halten. Eins sei hier aber noch einmal unterstrichen: Mit flotter oder sonntäglicher Unterhaltungsmusik sollte „Deep Trip“ keinesfalls verwechselt werden. Vielmehr entwickelt sich hier eine grandiose Überwältigungsplatte und um die Feinheiten zu entdecken, die es unter dem ausgestelltem Lärm durchaus zu finden gibt, bedarf es schon eines teilnehmenden Hörens.