Jahrelang galt Kevin Gates als vielversprechendes Talent der Rap-Szene, dann bremsten ihn ein Rechtsstreit mit seinem Label und ein längerer Gefängnisaufenthalt aus. Doch jetzt macht der Rapper aus dem Süden der USA Ernst und veröffentlicht nach dem gefeierten Mixtape „The Luca Brasi Story“ mit „Stranger Than Fiction“ bereits das zweite Werk in diesem Jahr.

Kevin Gates aus Louisiana machte bereits Anfang 2013 mit seinem Mixtape „The Luca Brasi Story“ und seiner Autotune-Hook und einem Vers für „Trust You“ von Pusha T auf sich aufmerksam. Beide Male musste man allerdings etwas genauer hinhören, um die Qualitäten des Rappers zu erkennen. Sein Beitrag zu Pusha Ts „Wrath Of Caine“-Mixtape handelte ihm dank der Mischung aus Gesang und Rap recht unpassende Vergleiche mit Drake und Future ein, auf „The Luca Brasi Story“ klang er dagegen zunächst wie einer der zahllosen Straßen- und Gangsta-Rapper aus den amerikanischen Südstaaten. Doch Songs wie „Arms Of A Stranger“, in denen Gates „The Notebook“ von Nicholas Sparks als sein Lieblingsbuch bezeichnet, oder „Twilight“, in dem er tatsächlich einen herzerwärmenden Vers aus Sicht eines Vampirs der gleichnamigen Serie vorträgt, würden wohl nicht viele seiner Kollegen zwischen ihren Geschichten über Drogen, Frauen und Gewalt unterbringen. Und schließlich überzeugte spätestens das abschließende A-cappella-Stück „IHOP (True Story)“, bei dem sich Kevin Gates durch Fingerschnippen und Schläge auf den eigenen Oberkörper begleitet, den Hörer von den technischen Qualitäten Gates‘ und seiner Fähigkeit, eine detaillierte und mitreißende Geschichte in einen Drei-Minuten-Song zu verwandeln.

Im Gegensatz zu den eben erwähnten Brüchen auf „The Luca Brasi Story“ passt die Biographie von Gates dagegen perfekt in das Bild des klassischen Gangsta-Rappers. Er wuchs bei seinen Großeltern in Baton Rouge auf, geriet nach dem Tod des Großvaters als seiner einzigen Vaterfigur auf die schiefe Bahn, dealte mit Drogen und beging so manch andere Dummheit, was ihn schließlich 2008 für drei Jahre ins Gefängnis brachte. Nach seiner Entlassung beschloss er, sich in Zukunft lieber auf seine Musikkarriere zu konzentrieren – nur um dann festzustellen, dass Verrat, Missgunst und Neid diese Branche ebenso beherrschen wie das Drogengeschäft. „Tiger“ auf dem neuen Album „Stranger Than Fiction“ erzählt diese Geschichte in Kurzform und ist gleichzeitig ein gutes Beispiel für Gates‘ ungewöhnliche Vortragsweise. Er geht häufig ausgiebig auf alle Akteure und ihre Beziehungen zueinander ein, verbessert sich, präzisiert seine vorherige Aussage und sorgt so für einen lebhaften Erzählfluss:

„As luck would have it my best friend, the brown skin nigga with the braids.
Not the pussy nigga with the fade, but the short chubby nigga with the braids.
Got out of jail, I was left broke, well not broke but low funds.
Funds lower than they ever was, I was try to rap without selling drugs.“

Die Erlebnisse seiner kriminellen Vergangenheit verarbeitet er in „4:30 AM“ und klagt im Refrain alle Eltern an, die ihre Kinder nachts auf den Straßen rumhängen lassen: „It’s five in the morning and your children are somewhere on the corner.“ Doch während der 43 Minuten von „Stranger Than Fiction“ geht es nicht immer so ernst und düster zu. Auf „Strokin‘“ rappt Kevin Gates überraschend sensibel und romantisch über Sex mit seiner Traumfrau, die Party-Hymne „Thinking With My Dick“ mit Juicy J ist dafür umso sexistischer und platter. Unterlegt mit eher konventionellen Synthesizer-lastigen Dirty-South- und Trap-Beats von Produzenten wie LXG, Dun Deal und Arthur McArthur beweist Kevin Gates bei beinahe jedem Song auf „Stranger Than Fiction“, dass er eine enorm facettenreiche Stimme besitzt und diese auch einzusetzen weiß. Mal flüstert er krächzend-kehlig („MYB“), in dramatischeren Momenten driftet seine Stimme dagegen kurz ins Hysterisch-Schrille ab („4:30 AM“). Für „Careful“ imitiert er gleich drei verschiedene Südstaaten-Akzente, die Hook des bereits erwähnten „Tiger“ singt er im Patois-Dialekt.

„Stranger Than Fiction“ wirkt im Vergleich zum etwas zu lang geratenen Vorgänger deutlich fokussierter, liefert aber auch weniger Eingängiges als „The Luca Brasi Story“. Kevin Gates konzentriert sich hier stärker auf seine Geschichten und so verwundert es auch nicht, dass der größte Ohrwurm des Albums in Form von „Satellite“ bereits aus dem letzten Jahr stammt und hier lediglich um einen Wiz-Khalifa-Vers erweitert wurde.

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum