Speedy OrtizMajor Arcana
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Label:
Carpark
VÖ:
19.07.2013
Referenzen:
Pavement, Best Coast, Sex Jams, Liz Phair
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Autor: |
Daniel Welsch |
Die Inszenierung als verletzter und verspotteter Außenseiter ist im Indierock wahrlich nichts Neues, doch zum Glück gibt es immer wieder Songwriterinnen wie Sadie Dupuis, die diesen Topos in glaubwürdige Geschichten verwandeln und ihm so neues Leben einhauchen. Auf „Major Arcana“ gibt sich die Speedy-Ortiz-Frontfrau aber nicht mit der Opferrolle zufrieden, sondern präsentiert ihre Narben mit einem gewissen Stolz: „Don’t even care if they took my legs/ I’ve limped before, I could limp again.“
Auch wenn mit der „Sports“-EP im letzten Jahr aus dem Soloprojekt Speedy Ortiz eine vierköpfige Band aus Massachusetts wurde, steht Sadie Dupuis auf dem Debütalbum „Major Arcana“ immer noch stark im Mittelpunkt. Zwar unterlegen ihre drei Mitstreiter die Texte stilsicher mit Indierock im Stile von Pavement, Dinosaur Jr. oder Sebadoh, doch es sind vor allem Dupuis‘ Geschichten, mit denen Speedy Ortiz aus der Masse an guten jungen 90er-infizierten Bands herausstechen. Und obwohl es in ihren Coming-Of-Age-Geschichten meist Dupuis selbst ist, der in der Schule übel mitgespielt wird, riskiert sie vor allem in den lauteren Momenten des Albums eine dicke Lippe und teilt auch ordentlich aus: „My mouth is a factory for every toxic part of speech I spew.“
Manchmal wirft sie dabei gar die Geschlechterrollen über den Haufen und verfällt in Macho-Gesten. Im Refrain der Single „Taylor Swift“ aus dem letzten Jahr erteilte sie einem ihrer Verehrer eine Abfuhr mit der Begründung „I got too many boyfriends to see you tonight.“ Bei dem Song „Fun“ wird Dupuis noch deutlicher, wenn sie die ersten Erfolge der Band in bester Rapper-Manier feiert: „Now I’m getting my dick sucked on the regular.“ Diese Momente verwirren aber nicht nur wegen der Umkehrung gängiger Klischees, sondern vor allem, weil sie nicht so recht zu dem Bild der verunsicherten Außenseiterin passen, das die übrigen Songs zeichnen.
Emotionaler Tiefpunkt und gleichzeitig einer der stärksten Momente des Albums ist dabei das ruhige „No Below“, in dem Sadie Dupuis von einem Sommer in ihrer Jugend erzählt, den sie auf Krücken verbrachte und deshalb von den Gleichaltrigen verspottet wurde. Doch dann erinnert sie sich an den einen Freund, der auch in dieser Zeit zu ihr hielt, und aus dem depressiven Refrain wird dank einer geschickten Wendung am Ende eine hoffnungsvolle Ode an diese Freundschaft: „With you in the boat there, I almost forgot/ How I once said I was better off just being dead.“ Zusammen mit dem düster-schleppenden „Gary“ und „Casper (1995)“ bildet „No Below“ den ruhigen Mittelteil des Albums, der von den krachigeren Nummern wie „Tiger Tank“, „Cash Cab“ und „Fun“ eingerahmt wird. Am Ende drängt sich beim Hören der Verdacht auf, dass Sadie nur deshalb alleine auf dem Pausenhof stand, weil sich die Anderen dank ihrer Ausstrahlung nie getraut haben, sie anzusprechen.