Natasha KmetoCrisis

Käme Musik mit einem Beipackzettel, der eine Anleitung oder zumindest Empfehlung für ein ergiebiges Hören enthielte, so sollte auf dem für „Crisis“ ein prominentes „Listening with headphones is highly recommended“ platziert sein. In Ermangelung einer außergewöhnlich abgestimmten Lautsprecheranlage macht dies nämlich für das zweite Album von Natasha Kmeto einen gehörigen Unterschied. Sein Innenleben wird zum Kopfhörerspektakel.

Bereits das Titel- und Eröffnungsstück macht von den Möglichkeiten eines nuancierten, auf zwei diskrete Beschallungskörper verteilten Stereo-Mixes wirkungsvoll Gebrauch. Ein Tron-tastischer Synthesizer-Eisbergbrecher bahnt sich einen Mittelweg durch Snaps und Claps, bis sein majestätisches Wabern zur Halbzeit des Stückes komplett nach rechts wegkippt und graduell von dort nach links und zurück zu pendeln beginnt. Die entstehende Leere, wenn in einer Hörhälfte dieses akustische Volumen komplett wegfällt, ersetzt irgendwann ein Basspumpen, Kmeto lässt ihren ersten Beat fallen und steckt damit schon einen Großteil des Albumsounds ab.

Essentiell dafür ist aber auch die Stimme der Portlanderin. Oft trägt nur sie die Melodie, wie wenn „Take Out“s umdampftes Bass-Snare-Skelett beim rhythmischen Schütteln seiner Knochen den Atem anzuhalten scheint, weil die Vocals nur segmentweise das Stück zu vollem Leben erwecken bevor sie wieder verschwinden. Fingerschnalzen füllt die Zwischenräume und fällt ebenso wie Kmetos texturierendes Raunen wieder weg, erst beim zweiten Anlauf nimmt das Stück unter Laserfeuer Fahrt auf. Kompakter extrovertiert ist „Idiot Proof“ mit hervorstechenden Synthdornen, jedoch kontrolliert auch hier Kmetos mehrstimmig-starke und sinnierend verhallte Stimmseele das auf einem Bassimpuls fast schon reitende Stück, insbesondere, wenn an einer Stelle fast alles außer den Vocals wegfällt, sich die Gesamtintensität aber nur noch verstärkt.

Auch wenn Stücke wie „Prideless“ strukturell wunderbar als Popsongs funktionieren, erwächst die Wirkung von Kmetos Musik weniger aus Songwriting oder physischer Gesamtdynamik, sondern aus ihrem detailliert-nuancierten Innenleben, das Kmeto mit textlicher Unverblümtheit komplementiert. Der spätnächtlichen Atmosphäre entsprechend wirkt sie mitunter ähnlich desorientiert wie die leicht hinter den Anschlägen nachgezogenen Akkorde in „Last Time“ oder die verschwommen modulierte Instrumentalmelodie von „Morning Sex“. Das Schwammige ist jedoch ebenso präzisiert, wie das technoid Sterile in „Vodka Diet“ nicht überpräzisiert versteift. Ein hypothetischer Beipackzettel zu „Crisis“ mag Warnungen vor gelegentlichen Haltlosigkeits- und Taumelgefühlen enthalten, diese sollten aber nicht als Abschreckung, sondern als Anreiz aufgenommen werden.

Ein Kommentar zu “Natasha Kmeto – Crisis”

  1. […] wie manche Stücke von Natasha Kmetos jüngstem Album ruht “Kathy Lee” auf wenig mehr als einem Fingerschnippsen, zwei Bass-Beats und dem […]

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