David LynchThe Big Dream
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Label:
PIAS UK / Sunday Best
VÖ:
12.07.2013
Referenzen:
Angelo Badalamenti, Lou Reed, Captain Beefheart, Fripp & Eno, Barry Adamson, Massive Attack
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Autor: |
Felix Lammert-Siepmann |
Als spätberufener Vollblutmusiker hat es David Lynch alles andere als einfach. Die Erwartungshaltung wird sich immer aus seinen Filmen speisen. Und in erster Linie reden wir hier nicht von seiner leichteren Kost à la „Wild At Heart“ oder „Dune“, sondern von verstörenden Schwergewichten wie „Eraserhead“, „Mulholland Dr.“ und „Inland Empire“. Es ist eine kniffelige Aufgabe, die Atmosphäre auf Platte mit all den starren Grenzen dieses Mediums zu vertonen und hinterher trotzdem nicht nur einen zweitklassigen Ersatz-Soundtrack zu schaffen. Doch Lynch ist sich der hohen Ansprüchen durchaus bewusst und setzt nahezu kompromisslos auf diesen wohl einzigen Weg. Das vor zwei Jahren veröffentlichte „Crazy Clown Time“ konnte überzeugen, so dass sich die Aufgabe für den Nachfolger umso schwieriger gestaltet.
Die Rezeptur bleibt in etwa gleich: Ein bisschen Dream Pop, ein schnellerer Song und dazwischen zahlreiche bedrohliche Konstrukte, die auf Anhieb genau für jene Angstzustände sorgen, für die der Name Lynch schon immer gestanden hat. Der charakteristische verzerrte Sprechgesang ist hier Fluch und Segen zugleich. Lynch gelingt es hierdurch, einen verdichteten Spannungsbogen aufzubauen, der von Song zu Song weiter zur beklemmenden Grundstimmung beiträgt und so „The Big Dream“ einen großen Teil seiner Identität stiftet. Gleichzeitig setzt er dieses Konzept so penibel und pedantisch um, dass es schnell an seine Grenzen gelangt. Wie auch in den genannten Filmen verlangt Lynch dem Hörer einiges an Aufmerksamkeit und Durchhaltevermögen ab. So ist „The Big Dream“ tatsächlich für die verschwindend kleine Gruppe konzipiert, die sich „Inland Empire“ mit Hingabe auch noch ein zehntes Mal anschauen wird. Kurzum, neben einigen wenigen musikalischen Zitaten ist auch der Zweitling ein echtes Original und extrem schwer zu knacken.
Für Ausbrüche bleibt da kaum noch Platz. Zu den gewagtesten Ausreißeren gehört eine Coverversion von Bob Dylans „The Ballad Of Hollis Brown“. Stilistisch steht es in einer Reihe mit dem großen Rest des Albums, faszinierend ist es, zu beobachten, wie kompromisslos Lynch auch diesem Klassiker sein Gewandt überstreift. Die Aussage aber wirkt ähnlich eindringlich und bitter wie bei Dylans puristischer Folkversion. Gegen Ende des Albums kramt Lynch dann noch etwas anderes hervor und rundet es mit sanftem Dream Pop doch noch etwas ab. Während „Are You Sure?“ schon ein gern gesehener lieblicher Ausflug von den düsteren Visionen zuvor ist, versucht sich Lykke Li im abschließenden „I’m Waiting Here“, das leider nicht auf allen Versionen des Albums enthalten ist, erstaunlich sattelfest als Julee Cruise. Mehr davon hätte diesem undurchdringbaren Monolith durchaus gut zu Gesicht gestanden.
Schöne Rezi, Felix. Und ja, dieses Mal muss man vielleicht eingestehen, dass es gerade die sonst vielerorts herbei gesehnte Konsequenz ist, mit der man zu kämpfen hat.