Als 2009 „Come Saturday“ oder „Young Adult Friction“ von The Pains Of Being Pure At Heart erschienen, lenkten sie auch eine neue Welle der Aufmerksamkeit auf ein Genre, welches trotz ständiger Auf- und Ab Bewegungen nie gänzlich out war und immer wieder neue Bands inspiriert und veranlasst, seine Weiterschreibung zu wagen: shoegaziger Indiepop. Inzwischen sind einige Jahre ins Land gegangen.

Auf ihrem zweiten Album entdeckten The Pains Of Being Pure At Heart Manchester und Bubblegum-Pop, Dum Dum Girls mutierten immer mehr in Richtung Pretenders, The Radio Dept. veröffentlichten mit ihrer herausragenden Singles-Sammlung so etwas wie eine (abschließende?) Werkschau. A Place To Bury Strangers verliebten sich immer mehr in ihre Effektpedale und vergaßen dabei teilweise das Songschreiben, School Of Seven Bells gingen voll auf Sythie-Pop und von A Sunny Day In Glasgow ist wenig zu hören. Neue vielversprechende Bands wie Veronica Falls erschienen auf der Bildfläche und viele andere, wie Crocodiles oder Ringo Deathstarr, blieben den großen Wurf schuldig. Zu guter Letzt veröffentlichten My Bloody Valentine nach 20 Jahren ein großartiges neues Album, das allen Nachgeborenen noch einmal zeigte was noch so alles geht zwischen Pop und Noise.

Man könnte also glauben, es wäre inzwischen wirklich alles ausformuliert und aus verschiedensten Blickwinkeln erzählt, aber dieses Genre bringt dennoch immer wieder neue Bands hervor. Dass dieses Unterfangen fast ohne übermäßige Ermüdungserscheinungen gelingt, liegt auch am Sujet, an dem sich die Bands abarbeiten und das ganz unterschiedlichen Personenkreisen und Generationen vertraut ist, sei es als momentane Erfahrung oder als (semi-)nostalgische Erinnerung. Sind doch oft Teenage Angst, Weltschmerz, Selbstzweifel und zwischenmenschliches Drama die Motoren, die diese Musik befeuern und die in eingängige, melodiegesättigte Popsongs mit einer Portion Bratzigkeit verpackt werden. Und so ist denn auch nicht verwunderlich, wenn „Feast Of Love“, das Debütalbum vom Pity Sex aus Ann Arbor, mit folgenden Zeilen beginnt:

„Don’t come too close

don’t try to know me

‚cause there’s nothing to know

wind me up and let me go“

Es ist vielleicht nicht gerade die einleuchtenste Herangehensweise, gleich im ersten Song den zugeneigten Gegenüber (oder Hörer) vor den Kopf zu stoßen und mitzuteilen, dass man uninteressant sei und doch bitte in Ruhe gelassen werden wolle. Natürlich kann dies andererseits auch als diffizile Taktik gedeutet werden, um die vorhandene Neugier und das Interesse noch zu erhöhen. Welche Leseart präferiert wird, bleibt persönliche Geschmackssache. Der Rezensent bevorzugt die zweite, auch weil die obigen Textzeilen in einen ungemein geschmeidigen Song integriert sind, der musikalisch einen Kontrapunkt zum textlich Dargebotenen bietet. „Wind-Up“, der zitierte Song,  erinnert tatsächlich stark an The Pains Of Being Pure At Heart und lässt deren Einfluss recht deutlich sichtbar werden, allerdings entwickeln Pity Sex im weiteren Verlauf des Albums eine höhere Eigenständigkeit.

Diese speist sich daraus, dass die Band in einem wesentlich größeren Maße 90er-Alternative-Rock à la Breeders oder College Rock als Bezugspunkt aufblitzen lässt. Freilich wird weniger die nervöse Euphorie und Aggressivität der genannten Band oder des Genres in den Mittelpunkt gestellt, sondern eher deren slackerhafte Melancholie favorisiert, die ihren Niederschlag auch in schleppender Rhythmik und warmem Gitarrenklang findet. Die Gesangsparts auf „Feast Of Love“ teilen sich nahezu paritätisch in weiblich und männlich. Dadurch bekommt die Platte eine Art Dialogcharakter, dessen Kommunikation freilich gestört zu sein scheint, bleiben „echte“ Duette, als Symbol zwischenmenschlicher, direkter Ansprache, doch eher die Ausnahme.

Betrachtet man das Gesamtbild, welches Pity Sex präsentieren, so bekommt man, angefangen beim stilsicheren Cover und der mit Verve vorgetragenen Musik, ein in sich geschlossenes, trotz oder gerade wegen der ausgestellten Melancholie durchweg unterhaltsames Album. Das kann durchaus auch helfen, die eigenen Sorgen und Nöte als gar nicht so solitär und aussichtslos wahrzunehmen und mit einer Träne im Auge und einem Lächeln auf den Lippen in die Dunkelheit zu tanzen. Das Licht am Ende des Tunnels ist nicht immer zwangsläufig ein Zug.

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