ThundercatApocalypse

„I think he deserves the universe. A man with limitless ideas”, twitterte jüngst Flying Lotus, einer der visionärsten Musiker der Jetztzeit über die neueste Veröffentlichung seines eigenen Labels. Möchte man diesen Satz zunächst als puren Werbesprech abtun, so setzt man später gerne noch ein begeistertes Ausrufezeichen dahinter, denn das zweite Album von Thundercat ist eine Lektion in Lässigkeit.

Befreit spielerisch, geradezu intuitiv richtig, erhebt Stephen Bruner das Brückenschlagen zu seinem eigenen Dogma und verschachtelt Klänge weit über Genregrenzen hinweg. Mutierter Jazz, bastardisierter Funk oder fusionierte Electronic? Im Grunde ist dieses Album noch eklektischer als sein Debüt, nur merkt man das nicht so schnell. Bei aller Referenzlast auf den Schultern, die diese Platte buckelig wankend nach vorne stapfen lässt, wohnt ihr nämlich auch eine große Portion Eigenständigkeit inne, die sich aus der Kombination der unterschiedlichen Einflüsse ergibt: Bruner verzahnt unterkühlte Beats und geerdeten Soul zu einem flüssigen Amalgam mit Slap-Bass. Mit der George Duke Band teilt er die unbändige Spielfreude, musiziert allerdings ungleich ruhiger und weniger rasant. Das Subtile ist seine Welt, die er hier spielerisch entwirft als wäre Musik ein Sims-3-Bausatz. Auch seine traumtänzerischen Ausflüge in den Sun-Ra-Kosmos sind mehr Ahnung denn durchexerzierte Idee. Die Vibes könnten zwar von Erykah Badu stammen und das Zurückgelehnte von Shuggie Otis, jedoch streifen auch diese beide Verweise nur marginal den Klang, den er hier präsentiert. Thundercat ist scheinbar immer und überall, oder anders gesagt: völlig zeit- und ortlos.

Einzig die Produktion von Flying Lotus ist ein wenig zu dominant, diese unnachahmliche Mischung aus plattgelatschten Beats und schummrigem Jazz, aus psychedelischem Pop und dem spiralnebelgleich verdrehten Funk, der immer in seinen Produktionen mitschwingt, ohne dass man genau weiß, wie er das macht. Mag üblicherweise der Produzent den Blick schärfen, so gerät „Apocalypse“ zur Gratwanderung, zum Greifen nahe ist die freundliche Übernahme durch Flying Lotus. Nichtsdestotrotz sprüht dieses Album vor spannenden Ideen, vor lose geflickten, aber zündenden Melodien, die sich unweigerlich ins Unterbewusstsein graben, ohne anbiedernd zu wirken. „Tenfold“ legt sich zunächst einmal quer, streckt seine musikalischen Fühler aus und gähnt mit aufgerissenem Maul – eine Regung der Entspannung, die nur wenig vorbereitet auf das, was danach kommt: Bei „Seven“ rattert der Bass die Arpeggios rauf und runter und kommt das erste Mal ein wenig ins Schwitzen. Schweißperlen rinnen herab und vermischen sich mit übernächtigten Beats. Thundercat bleibt cool.

Der Bass ist das Instrument, an dem sich Bruner am wohlsten fühlt und der dieses Werk zusammenhält, wenn es wie beim Partykracher „Oh Sheit It’s X“ hoch her geht, der sich statt auf abgründiger Rituale ganz aufs Oberflächliche versteift. Mag dieser Track als Ausrutscher zwischen einer schön gekühlten Sammlung an Songs, unter deren Oberfläche das Magma aber immerwährend brodelt, gelten, so ist „Heartbreaks And Setbacks“ ebenfalls einer davon. Ein feierlicher, elektronischer Schmachtfetzen, der den Hörer freundlich wedelnd wie ein zutraulicher Nachbarshund begrüßt, aber tief im Inneren spannende Texturen und kleine Gimmicks parat hält, die eifrig nach Eigensinn schnappen. Zum Ende hin stiebt alles auseinander und fängt sich im letzten Moment vor der Improvisation, deren Gaul sich erst bei „Lotus And The Jondy“ die lästigen Zügel abstreifen darf. Seine Songs sind Erinnerungen, Überhöhungen eines längst verblichenen Gefühls und verwehren sich trotz aller Produktionsfinesse dem Vorsatz eines kalkulierten Spiels.

Dann spinnt die Platte ihr launiges Teekesselchen weiter in Soundtracksphären und wieder zurück zum abstrakten Soul. „Without You“ sammelt Angeber- und Coolness-Punkte, ist trocken, aber niemals mathematisch gezirkelt und geprägt von einer gewissen stoischen Eleganz und einer langsamen, unaufgeregten Gründlichkeit. Die trockenpolierten, stumpfen Beats von „Tron“ treffen hingegen auf einen in Schieflage bugsierten, immer etwas dissonanten Gesang, der immer kurz davor ist, aus der Kurve zu fliegen. Dies ist wohl das, was man „Seele“ in der Maschine nennt. Immer ein wenig melancholisch durchziehen dabei auch bedrückende Themen wie Verlust und Schmerz das manchmal allzu simple Textwerk.

Ganz zum Schluss lässt der Künstler es sich nicht nehmen, mit staatstragenden Gesten den Ausklang zu zelebrieren: „Austin, Praise The Lord“ wird regelrecht zugekleistert mit orchestralem Pomp wie eine gemeine Litfaßsäule mit Werbeplakaten. Genau jene hätte Thundercat jedoch durchaus für „Apocalypse“ verdient. Große Lettern auf dunklem Grund, die ihm ein wenig Aufmerksamkeit zufächern. Denn selten klang Neues so vertraut, selten Bewährtes so aufregend neu.

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