Kanye WestYeezus
Tweet |
Label:
Def Jam
VÖ:
18.06.2013
Referenzen:
A$AP Rocky, M.I.A., Death Grips, Skrillex, deadmau5
|
Autor: |
Bastian Heider |
Das Pop-Jahr 2013 ist eines der Comebacks und groß angelegten medialen Kampagnen. Zwischen sich an Ausgefallenheit gegenseitig überbietenden Marketingaktionen von My Bloody Valentine bis Boards Of Canada findet derzeit kaum noch ein Newcomer ins Ohr des geneigten Hörers. Inmitten dieses Wahnsinns darf natürlich einer nicht fehlen: Kanye West. Wer hinter dem plakativ konsumkritischen „Steal This Album“-Cover und der umso wirkungsvolleren Verweigerungs-Promo nun eine ernsthafte politische Auseinandersetzung erwartet, liegt falsch. Auch auf Wests sechstem Album geht es mal wieder hauptsächlich um ihn selbst.
Dennoch ist das, was sich unter dem an Größenwahn kaum zu überbietenden Titel „Yeezus“ verbirgt, ein wütendes, ja rebellisches Album. Nach dem wahnwitzigem Pop-Maximalismus von „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“ scheint Kanye längst noch nicht satt. Mit lärmendem „Jetzt erst recht“-Gestus wirft er alles bisher Dagewesene über den Haufen und verfasst seinen Neuentwurf als fordernde und nur aufs erste Ohr scheinbar völlig konfuse Mischung aus allen möglichen Unvereinbarkeiten. „Yeezus“ ist ein waghalsiger Cut-Up aus Skrillex-geschultem EDM, Industrial- und Suicide-Referenzen, Dancehall-Samples, herzzerreißenden Soul-Breaks, chemischen Drogen und tonnenweise Autotune.
Musikalisch zerfällt das Album dabei in zwei Hälften, von denen sich die erste als deutlich druckvoller erweist. Track Nummer zwei, „Black Skinhead“, schockt mit grollendem, NIИ-inspiriertem Gitarrenriff, psychotischen Schreien und einem Kanye, der sich aggressiver denn je und raptechnisch in der Form seines Lebens präsentiert. „New Slaves“ ist der einzige wirklich politische Song des Albums, der sich explizit klassenkämpferisch gegen den Rassismus einer weißen Oberschicht wendet. Musikalisch brillant ist daran vor allem der Schlussteil, wenn der Track vom pumpendem Elektrorock in ein herrlich übersteuertes Soulstück übergeht, das neben Frank Ocean auch noch ein obskures Sample der ungarischen Rockband Omega featuret.
Das Energielevel der ersten vier Stücke kann der Rest des Albums leider nicht ganz halten. Zwischen immer wieder genialen Einfällen schleicht sich hier und da ein wenig kreativer Leerlauf in die unorthodoxe Mixtape-Ästhetik. „Hold My Liquor“ gelingt zwar das Kunststück, Indie-Darling Bon Iver und Trap-Rüpel Chief Keef auf einem Song zu vereinen, doch vor allem der monotone Singsang des Letzteren macht das ansonsten gelungene Stück streckenweise zäh wie Kaugummi. Besser klingt hingegen, wie „Blood On The Leaves“ sich kunstvoll um das markante Nina-Simone-Sample der Billy-Holliday-Interpretation „Strange Fruit“ windet. Auch „Guilt Trip“ besticht immer wieder durch überragende Ideen (die Streicher, das downgepitchte Dancehall-Sample), klingt im Albumkontext aber letztendlich ein wenig nach Füllmaterial. Lediglich „Bound 2“ markiert als versöhnliches Schlussstück mit seiner Perfektionierung der Schnipsel-Ästhetik und Reminiszenzen an vergangene Kanye-Alben wieder einen makellosen Kracher.
Unberechenbar zwischen Genie und Wahnsinn schwanken diesmal auch Kanyes Lyrics, die in wenigen Tagen notdürftig zusammengeschustert so ziemlich jede Raffinesse vermissen lassen. Dies passt zwar einerseits zur punkigen „Don’t Give A Fuck“-Attitüde des Albums, schießt aber stellenweise auch weit über das Ziel hinaus. Dass man all den selbstreferenziellen pornographischen Blödsinn, der hier verzapft wird, nicht allzu ernst nehmen sollte, versteht sich von selbst, aber auch der Grat zwischen einem guten und einem schlechten Witz ist nun mal ein schmaler. Wo „Hurry up with my damn croissant / I am a god“ im Kontext noch als grotesk komisch durchgeht, ist „Eating asian pussy / All I need was sweet and sour sauce“ letztendlich nur noch geschmacklos.
„Yeezus“ ist kein Album für Kompromisse. Es ist eines, das so zwar niemand ernsthaft erwartet hatte, wie es aber letztendlich nur von Kanye West kommen konnte. Die Meinungen dürften dieses Mal mehr denn je zwischen „Totalausfall“ und „Geniestreich“ auseinanderdriften, allein schon die Liste der Mitwirkenden liest sich in Länge und Vielfalt wie ein riesengroßes „WTF?“. Neben den bereits Erwähnten hatten Daft Punk, Rick Rubin, TNGHT, Hudson Mohawke, John Legend, Kid Cudi und viele mehr ihre Finger im Spiel. Wo andere „Acts“ seines Kalibers bloß ihre bewährten Erfolgsrezepte reproduzieren, gelingt es West in seinem überbordenden Geltungsdrang immer wieder aufs Neue, auch noch so abwegige Elemente und Trends (man denke bei den vermeintlichen Einflüssen einmal an Death Grips oder das wenig geliebte letzte M.I.A.-Album) in seinen Pop-Rap-Kontext zu integrieren. Man hasst ihn, man liebt ihn, aber eines dürfte feststehen: Kanye West untermauert auch mit „Yeezus“ nicht trotz, sondern gerade wegen all seiner Ungereimtheiten und Provokationen seinen Status als größter männlicher Popstar unserer Zeit.
Ein Spalter. Die Produktion ist grandios und mitreißend, der textliche Baukasten aus kapitalistischen Klischees und chauvinistischen Entgleisungen macht es für mich schwer das Album wirklich ins Herz zu schließen.
Quatschmusik für Eierköpfe!
[…] viel Fortschrittliches und Innovatives erschienen und zuletzt mit Kanye Wests Prog-Rap-Wahnsinn „Yeezus“ sogar mitten im Mainstream […]