Boards Of CanadaTomorrow's Harvest
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Label:
Warp
VÖ:
07.06.2013
Referenzen:
Solar Bears, Philip Glass, Oneohtrix Point Never, Vangelis, Plaid
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Autor: |
Katja Diehl |
Zeitlos. Im besten Sinne. Raumentrückt. Unendliche Weiten, nicht in sattem Grün, sondern eher etwas trocken und flirrend. Boards Of Canada sind wieder da.
„The Campfire Headcase” ist acht Jahre alt … acht Jahre? Wie soll nach so einer langen Zeit der Anschluss geschaffen werden an jene Alben, die nicht wenige für Meisterstücke halten? Es muss ein seltsames Gefühl sein, sich den eigenen Fußstapfen stellen zu müssen. Erst recht, wenn diese riesig sind. Fast ist es so, als müsse man sich selbst eine Chance geben. Und fast wirkt es so, als schlichen sich die Boards Michael Sandison und Marcus Eoin devot an, als wollten sie testen, ob sie die Gunst ihres Publikums noch gewinnen können.
„Tomorrow’s Harvest“ hat nicht sofort die Präsenz, die Vorgängeralben besaßen. „Gemini“ haucht vorbei, doch schon „Reach For The Dead“ nimmt etwas Fahrt auf und bringt Komplexität ins Spiel – wenn auch in gemäßigtem Tempo. Es hat nichts von einem „WOW!“-Effekt, das Album kommt langsam. Dennoch ist da das Gefühl, den beiden Protagonisten dabei zuschauen zu dürfen, wie sie eine Kathedrale bauen.
Die Schotten stehen vor allem für eines: Qualität und Lust am elektronischen Handwerk. Manch Song, der am Computer entsteht, kann für den Moment begeistern, um schnell in Vergessenheit zu geraten. Nicht so bei Boards Of Canada. Wie eine Knospe, die sich langsam öffnend zu einer prallen Blüte wird – mal wie in „White Cyclosa“ äußerst minimalistisch, an anderer Stelle („Cold Earth“) vor Komplexität strotzend mit seinen verspielten Details und freudvollen Hüpfern. Bei 16 Songs auf einem Album muss es eine Hierarchie geben, hier muss sich manches als Prolog zum nächsten verstehen. Komposition nicht nur im Einzelteil, sondern als Albumkonzept.
„Jacquard Causeway“, mit fast sieben Minuten längster Song des Albums, erinnert zunächst an einen Jungen, der seinen Stock an einem Zaun entlang führt. Klack Klack Klack. Beinahe träge schleppen sich die ersten Etappen. Und dann kommt er wieder, dieser wohltuende – nein, nicht Teppich, aber sagen wir … Synthierasen, über den es sich mit Freude barfuß gehen lässt. Boards Of Canada sind nicht mehr ganz so hippieesk wie früher, sind mehr auf den Punkt und wirken konzentrierter. Immer noch kann man nachvollziehen, dass die federleicht scheinende Konzeption mancher Stücke den Vorwurf „simpel“ erhält. Doch so ein Urteil kann eigentlich nur fällen, wer zufrieden damit ist, lediglich an der Oberfläche zu kratzen. Sind Tracks wie „Palace Posy“ auf den ersten Ton schon ziemlich catchy, so offenbaren sie bei jedem Durchgang mehr Details. Boards Of Canada sind eben mehr Sticken als Holzfällen – beides körperliche Betätigungen, jedoch mit einer äußerst divergierenden Gestaltungstiefe. Anspruchsvoll, ohne anstrengend zu sein – vielleicht liegt genau darin ihr Geheimnis, das schon fast einen Kult um sie herum webt. Sie sind nahbar, ohne anzubiedern. Das gefällt nicht nur, das fesselt.
Boards Of Canada haben sich weiter entwickelt, sind vielleicht noch weniger tanzbar, aber zum Kopfwippen und Fußtippen reicht es allemal. Immer wieder schießen einem Bilder von Landschaften (der Ödnis, des Stadtdschungels) durch den Kopf und so ist „Tomorrow’s Harvest“ ziemlich nah dran an dem, was Kinoästhetik in Sachen Musik so bietet. Meister des Kopfkinos.
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