DeafheavenSunbather

Vieles hat sich geändert in der Black-Metal-Szene. Zweieinhalb Meter lange Nieten, Äxte, Wikingerposen und „Corpse Paint“ scheinen ein Relikt der satanistisch-paganen Anfangsjahre in Norwegen, Schweden und Finnland zu sein und auch die strenge genreimmanente Farbarmut aus Schwarz und Weiß (die teilweise leider auch die Weltsicht der Bands widerspiegelte) wird oft neben den obligatorischen langen Haaren abgelegt.

Das Duo Deafheaven aus dem sonnigen San Francisco gehört zu einer ebenso weitläufigen wie experimentierfreudigen Szene, welche gerne „Post-Black-Metal“ genannt wird und zu der beispielsweise auch Altar Of Plagues, Liturgy, Krallice oder Blut Aus Nord gezählt werden können. Jene Bands zeichnen sich durch die Öffnung des Genres für Einflüsse auch außerhalb des Metal-Kosmos aus, so sollte es nicht verwundern, wenn Deafheaven hier keine Ausnahme darstellen. Die beiden Gründungsmitglieder George Clarke und Kerry McCoy (live und im Studio wird die Band mit Gastmusikern aufgestockt), die übrigens eher wie New-Wave-, Indie- oder HC-Heads aussehen, präsentieren auf ihrem zweiten Langspieler „Sunbather“ einen Sound, der sich vortrefflich mit einer Wortschöpfung aus Black Metal und Shoegaze als „Blackgaze“ oder auch „Deathgaze“ umschreiben lässt.

Deafheaven spinnen ein kaleidoskopisches Netz, aus sägenden Shoegaze-Gitarrenwänden, Hochgeschwindigkeitsschlagzeug, abrupten Tempowechseln und Passagen voller Melodieglückseligkeit, aus dem es kein Entkommen mehr gibt und dem oft eine tiefe Melancholie eingeschrieben ist. Zudem erinnern die langsamen Passagen oder instrumentalen Stücke in ihrer Getragenheit an Post-Rock – jenes Genre also, das weiter weg von Rock- und Metal-Machismen kaum sein kann. Auf dieser Basis entwickeln Deafheaven eine Musik, in deren schierer Wucht und Präsenz man sich auch emotional verlieren kann.

Um zu erkennen, was diese Band besonders macht, braucht man sich nur das ineinander übergehende Trio der ersten drei Songs „Dream House“, „Irresistable“ und „Sunbather“ anzuhören. Nichts hier ist bloßer Sport aus höher, schneller, weiter, wie er in Metal- und Hardcorekreisen gerne betrieben wird. Nicht eine Note (auf diesem Album) ist bloßes Instrumentengewichse um Virtuosentum zur Schau zu stellen, nichts droht zum purem Selbstzweck zu verkommen, alles dient einfach und allein dem Song und dessen Progression. Auch George Clarkes mit Furor herausgeschriener Gesang macht hierbei keine Ausnahme, teilweise verschwindet er fast vollständig in der musikalischen Textur und erfüllt eher die Funktion eines weiteren Instruments, als dass er Medium der zwischenmenschlichen Kommunikation und Sinnvermittlung wäre. Was in Anbetracht des Genres natürlich auch wieder völlig passt.

„Sunbather“ wächst mit jedem Durchgang und erweist sich auch was die Albumdramaturgie anbelangt als nahezu perfekt inszeniert. Und so bleibt nichts weniger zu vermelden, als dass es sich hierbei in meinen Augen um die überraschendste, wenn nicht sogar beste Veröffentlichung des laufenden Jahres handelt – nicht nur im Metalbereich.

6 Kommentare zu “Deafheaven – Sunbather”

  1. Nihil sagt:

    Wirds zur neuen (und verdammt großartigen) Platte von Altar of Plagues evtl. auch noch eine Rezension geben? Definitiv meine untrue Hipter-Black-Metal-Platte des Jahres und sogar noch etwas besser als Sunbather.

  2. Ja, die Altar Of Plagues ist auch fantastisch. Wobei man die beiden nicht wirklich vergleichen kann.

  3. Pascal Weiß sagt:

    @Nihil: Ehrlich gesagt planen wir zu der Altar Of Plagues seit geraumer Zeit was. Intern ist die schon lange Thema und es ist nur der beruflichen Haupttätigkeit geschuldet, dass da bisher nichts kam. Wir „arbeiten“ aber dran;)

  4. Nihil sagt:

    Freut mich zu hören, Pascal.

  5. Hehe, beruflich stimmt zwar in dem Fall nicht ganz, aber ich geb mein bestes. Freut mich, dass überhaupt Interesse an dieser wirklich fantastischen Platte besteht.

  6. […] runtergespielt haben. Die fast zwölf Minuten von „Finite“ erreichen sogar fast die Größe von Deafheaven, allerdings fehlt Hope Drone die letzte genresprengende Nuance, oder um es noch einmal so zu […]

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