Versuchen wir es doch positiv zu sehen. Der Herbst steckt in seinen letzten Zügen, um bald spontan über Frühling gen Sommer zu gehen. Diese Großwetterlage erlaubt es uns, noch einmal der Melancholie zu frönen, die sonst im Juni doch gar keine Chance hat. Wie unfair. Denn es sind vor allem die leisen, nachdenklichen Momente, die einen dazu verleiten, ein Album wie „Book Of Hours“ aufzulegen.

Da blitzt die Sonne beizeiten durch die Wolken, da ist aber auch viel Platz für angenehme Sprachlosigkeit, die einem die Gedanken aus dem Kopf zieht und auf eine Reise schickt. Die trauerumflorte Stimme von Tom Clarke und das hypnotische Gitarrenspiel von Sam Ricketts machen es einem schwer bis unmöglich, sich nicht in den Bann dieses Debüts ziehen zu lassen.

Schon beim Einstieg „Lions On The Beach“ stehen die Vocals entrückt zu den Mikros, das Album schleicht sich förmlich an. Denn auch „Youthern“ mit seinen Blake’schen Momenten sinniert dem Innehalten im Leben hinterher. Zumindest musikalisch. Die Musik des Londoner Duos Cloud Boat treibt nicht voran, sondern hält es aus, auch einmal auf der Stelle zu verweilen und Atem holen zu lassen. Bereits 2011 waren Cloud Boat mit James Blake auf Tour. Ihr Debüt erzeugt durchaus Déjà-vus in dessen Richtung (vor allem stimmlich sind Songs wie „Drean“ und „You Find Me“ in ihrer Anmutung ein Klon), hat aber genug Kraft und eigene Ideen, um diesen Vergleich schnell im Sande verlaufen zu lassen.

„Amber Road“ zum Beispiel überrascht nach seinen etwas eingängigen Vorgängern mit bassiger Dubstep-Anleihe und ansonsten fast fragiler Instrumentalisierung. Bei „Wanderlust“ kommt die Stärke von Cloud Boat kristallklar zum Vorschein: zum Einen in der Charakterstimme von Sänger Tom, zum Anderen mit sehr vielen Versatzstücken aus Sounds, die einzeln betrachtet stark und individuell sind – und sich dennoch ohne Murren ineinander verweben. Ähnlich wie bei „Bastion“ erahnt man dahinter Field Recordings, die per Rekorder aus der Umwelt gepflückt wurden, um sie in der Musik in einen neuen Rahmen zu passen. Zusammen mit Drums, Gesang und Synthesizern entsteht so ein sehr dichtes Konstrukt, das sich nie völlig fassen lässt, weil man nicht alle Details einordnen kann – obwohl sie vertraut erscheinen. „Pink Grin I“ und „Pink Grin II“ beschließen das Album und zeigen noch einmal alle Facetten des Talents der Londoner. Anstatt ihr Debüt ausklingen zu lassen, drehen sie noch einmal richtig auf. „Kowloon Bridge“ ist in bester Weise ein leiser Gitarren-Popsong, durchaus auch für den Sommer. Und mit diesem Gefühl lassen Cloud Boat den Hörer sanft beschwingt zurück.

Cloud Boat – der Name des Duos folgte dem Gemälde eines litauischen Malers, der in Öl eben genau so ein Boot aus Wolken schuf. Ein wenig macht es einem „Book Of Hours“ leicht, dieser Inspiration zu folgen. Das Album schwebt vorbei, ändert Formen und fließt in seinen Einzelteilen ineinander. Manchmal verliert es sich – und ist dennoch auch genau darin genau richtig, wie anfangs beschrieben für Zeiten, die wir als Zwischenzeiten bezeichnen. Da wir uns aber doch eigentlich immer „zwischen“ den Dingen befinden – zwischen Herbst und Sommer, Hoffen und Bangen, Gewinn und Verlust – ist das Album passgenau, wann immer man ihm die Zeit gibt, die es benötigt.

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum