Driver FriendlyVerschwundene Werke

„Bury A Dream“, das 2012 erschienene Album von Driver Friendly, hat keinen völlig alltäglichen Sound. Seine Klang-DNA erweitert in wundervollen Songs breite, von eingängigstem Post-Hardcore geprägte Gitarrenpolitur um Trompete und Posaune, ohne dass diese als overtes Gimmick herausstehen – sie fließen oft subtil als blecherne Textur in den Singalong-Rock des texanischen Septetts, machen ihn noch einladender und umarmender.
Wer sich auf die Suche nach diesem Album macht, stößt jedoch auf ein Problem: „Bury A Dream“ existiert nicht. Nicht mehr. Die Homepage der Band verweist ebensowenig auf ein physisches Erscheinen wie Discogs, eventuelle Links auf einen Download bei legalen Anbietern führen heute zu einer Fehlermeldung. Doch das war einmal anders: Gräbt man sich ein wenig durch Google-Archive, so findet man Promotexte, Rezensionen und sogar einen mittlerweile inhaltsleeren Albumstream auf Soundcloud. Keine Frage, „Bury A Dream“ wurde von der Band über Kickstarter finanziert, mit einem erfahrenen Produzenten aufgenommen und im zweiten Quartal 2012 veröffentlicht, war unter anderem auf Bandcamp, Amazon und iTunes erhältlich.
Driver Friendly – Messidona
Bis die Band im Herbst des Jahres einen Vertrag mit einem Label unterzeichnete. Nach und nach verschwanden Musik, Links darauf und Texte darüber von den Onlinepräsenzen der Band, als hätte es nicht existiert. Diese Art von Geschichtsrevision erscheint radikal, doch bis hierhin ist dieser Vorgang nicht außergewöhnlich. Bands wie Vampire Weekend, Foxygen oder Surfer Blood hatten ihre Debütalben in Eigenregie produziert und bereits online oder bei Konzerten verkauft, als sie von großen Indie-Labels gesignt wurden, welche die Alben ein paar Monate später wenig bis nicht verändert in größerem Stil herausbrachten.
Driver Friendly – Ghosts
Gewiss ist die Musikgeschichte mit (teils legendären) unveröffentlichten Werken gesät, auch dass Alben nicht überall zugleich erscheinen, ist besonders bei Major Labels seit Langem Gang und Gäbe. Das Debütalbum der vielgehypten Icona Pop beispielsweise ist bereits seit Herbst 2012 in ihrer Heimat Schweden erhältlich, doch wie eine völlig neue Single andeutet, könnte der Rest der Welt mit mindestens einjähriger Verspätung eine deutlich andere Fassung zu hören bekommen.
Und sicher: Wer „Bury A Dream“ unbedingt hören will, kann dies irgendwie bewerkstelligen – das Internet hat in seinen Grauzonen zumindest ein ganz gutes Kurzzeitgedächtnis. Bedenkenswert ist im Falle Driver Friendlys aber vor allem das komplette Verschwinden eines Albums aus der nebulösen digitalen Cloud, der nach Ansicht mancher „die Zukunft gehören soll“. An einem Tag konnte man sich „Bury A Dream“s noch über Spotify erfreuen, am nächsten Tag war der Zugriff darauf unterbunden. Das ist wohl die Gefahr, wenn man Musikhören nur noch im Sinne eines Informationszugriffs wahrnimmt: Anders als ein physisches Exemplar oder eine digitale Kopie, die man erwirbt, lässt sich dieser Informationsfluss jederzeit mit und ohne guten Grund abdrehen.
Driver Friendly – Shark Cave
Driver Friendly selbst leugnen in Facebook-Posts oder Interviews die Existenz des Albums nicht, jedoch scheint es, als wäre ihr Label nur an Teilen davon interessiert: Die nächste Woche erscheinende EP „Peaks + Valleys“ enthält die bereits bekannten (und weiterhin vorzüglichen) Stücke „Ghosts“, „Messidona“ und „Shark Cave“ davon. Unterdes gibt es bislang keinen Hinweis darauf, dass dies ein Teaser für das komplette Album sein soll – vermutlich wird Driver Friendlys nächste Platte aus völlig neuen Songs bestehen. „Bury A Dream“ verbliebe dann lediglich eine nicht offiziell anerkannte Existenz im Digitalen – als Geistalbum.