Das Schöne in den Momenten der Traurigkeit zu entdecken, ist eine Kunst, die das Leben bereichern kann. Letztendlich muss es ja weiter gehen, da hilft naiver Eskapismus genauso wenig wie rotweingetränkte Eskapaden. Und doch ist es immer hilfreich, wenn man hört, sieht und erfährt, dass es anderen Menschen auch schlecht geht. Zugegeben, das ist nun kein sonderlich philanthroper Standpunkt, aber immerhin ist es einer.

The National versorgen die Menschheit nun seit über einem Jahrzehnt mit melancholischen Geschichten von scheiternder Liebe, schrecklicher Liebe, vergänglicher Liebe, der Sehnsucht nach Liebe und (eher selten) schöner Liebe. Damit kann man freilich sein Problem haben, denn nicht Jedermann steht auf derlei Geplänkel, romantisch-verklärten Kitsch muss man allerdings auch nicht befürchten. Mit äußerster Finesse komponierten Matt Berninger und Co. in jüngster Vergangenheit eine Reihe erstklassiger Indierock-Platten, die stets die Balance zwischen verletzlicher Emotionalität und sakrosankter Abgeklärtheit hielten und mit „Fake Empire“ und „Lemonworld“ nebenbei die größtmöglichen Hymnen beinhalteten.

Für viele bildet das 2007er-Album „Boxer“ den bisherigen Höhepunkt im Schaffen von The National. Mit „High Violet“ gingen sie den Weg konsequent weiter, verfeinerten ihren Sound jedoch nur noch in Nuancen. Irgendwann war klar, dass es keine weitere Platte im etablierten, elaboriert-elegischen Stil geben würde. Für ihr neues Album „Trouble Will Find Me“ holten sich die fünf New Yorker daher tatkräftige Unterstützung von Sufjan Stevens, St. Vincent, Sharon Van Etten und einigen weiteren, die ihre Indierock-Meriten bereits verdient haben. In der Folge entstand das luftigste, abwechslungsreichste und weitsichtigste Album der Band, ohne jedoch den eigenen Sound zu verwässern.

Die Platte beginnt mit dem verhaltenen „I Should Live In Salt“, einer von Akustikgitarren getragenen Nummer, in der Berninger verzweifelte Sentenzen murmelt und dabei klingt, wie es ein Matt Berninger im Eröffnungsstück einer The-National-Platte eben so macht. Die Vorabsingle „Sea Of Love“ geriert sich hingegen als großmütiger Quasi-Titelsong, wenn es doch heißt: „If I stay here, trouble will find me.“ The National meißeln hier ihr Statement gegen den Stillstand in Stein, besonders schön ist in diesem Kontext übrigens das druckvolle Schlagzeugspiel von Hobby-Neurotiker Bryan Devendorf.

„This Is The Last Time“ klingt für National-Verhältnisse dann schon regelrecht optimistisch, was ein ziemlicher Glücksfall für „Trouble Will Find Me“ ist – wird doch unmissverständlich klar, dass hier eine Band über ihren Tellerrand hinausblickt, sich für neue Strömungen öffnet und trotzdem immer noch charakterstark und eigenwillig klingt. Gleiches gilt für das melodische „Graceless“, einer weiteren erstklassigen Hymne der New Yorker, mit der man sich als liebeskummergeplagter Yuppie unter die Bettdecke flüchten kann, um ein paar große Löffel von der überteuerten Eiskrem zu verdrücken. Wohlfühl-Emo? Meinetwegen.

Im traumhaft vor sich hin torkelnden „I Need My Girl“ geht es logischerweise um die Sehnsucht nach diesem einen Mädchen, das einem mächtig den Kopf verdreht hat. Darüber hinaus bringt es all die Trademarks im National-Sound ein weiteres Mal verdichtet auf den Punkt: Berningers elegische Stimme, dunkel-funkelnde Gitarren und die präzise Rhythmusgruppe buhlen um die Vorherrschaft und treiben sich dabei gegenseitig zu Höchstleistungen. „Trouble Will Find Me“ hält viele solcher Aha-Momente parat. Es ist vielleicht nicht die beste Platte von The National, aber eine weitere, mit der man Schmerz, Trauer und Zweifel in positive Gedanken transkribieren kann. In dieser Disziplin bleiben sie unerreicht.

2 Kommentare zu “The National – Trouble Will Find Me”

  1. Saihttam sagt:

    ist ja dann doch keine 9/10 geworden, Kevin ;)
    aber dafür eine schöne Rezension!
    Mir gefällt das Album bisher auch sehr gut.

  2. Pascal Weiß sagt:

    Dito. Sogar noch etwas besser als der direkte Vorgänger. 86 von mir.

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