Sonnigen Gemütes blies ich in der Dämmerung des Nachmittags Seifenblasen in den Himmel und bedachte Schönes, Wahres, Gutes und Konsorten, da klopfte es im Flur. Und polterte und krachte. Ich unkte und guckte verdutzt. Das war mehr als icke. Ich ging auf den Flur und fand dort eine Gestalt, verwuschelt und zerzaust, bleich und verkommen, verstört und zitternd. Wie eine abgenutzte Vogelscheuche stand da ein geheimnisvoller Herr und schaute mich wütend an.

„Bitte?“ brachte ich stammelnd hervor.
„Grm … grm … (spuckt die Wand an) bäh … du Narr vergeudest dich und die Zeit, aber sorge dich nicht, denn ich hole dich ein.“
Die sprachlose Dummheit meines erstaunten Blickes spiegelte die seltsame Erscheinung des Mannes wider.
„Ähm … wer bist du? Der Tod?“
„Pff (spuckt mir ins Gesicht) … Kann der Tod spucken? Wo ist die Sense? Ach … keine Ahnung hast du! Ich zeige dir, wer ich bin. Schau in mein verlebtes Gesicht: Ich trage die Maske von Sal Mineo.“
„Bitte?“ Der Typ stank aber auch wie Hölle.
„Grm … Sal Mineo, Idiot! Ich war jung und schön, ein berühmter Schauspieler an der Seite James Deans. In meinen Blicken gurgelte die Melancholie. Ich sang und man nannte mich Switchblade Kid. Ich wurde geliebt und vergessen. Ich liebte Frauen wie Männer. Ein Messerstich traf mich direkt ins Herz und ich verblutete in einer verlassenen Gasse des Nachts. Ich war Sal Mineo!“

Wieder spuckte er mir ins Gesicht. Langsam machte sich der Kerl bei mir unbeliebt. Zudem untermalte er seine Rede immer mit irgendwelchen Geräuschen, seltsamen Sounds, im Prinzip: Krach. Dabei hob und senkte er seine Stimme scheinbar willkürlich und ohne Rücksicht auf Sinn und Inhalt. Katzen jaulten. In einem Moment flüsterte er eindringlich, dann schrie er wie ein Wahnsinniger. Und das Spucken, das nervte auch.

„Ähm … ja. Und was soll das alles, Sal Mineo?“
„(Lacht lauthals und dreckig) Du weißt nichts! Grm … ich bin nicht Sal Mineo, ich war es nur und trage seine ausgeleierte Maske. Lass dir eins sagen, dummer Junge:“
Der nun folgende Wortschwall war zu viel für meine leicht infantile Aufmerksamkeitsspanne und ich verstand nur ein paar Bruchstücke, vor allem aber Bahnhof.
Einige seiner schräg intonierten und unter Spucken sowie auf Englisch vorgetragenen Sentenzen, sofern ich mich erinnern kann:
„It’s all green. Green. And it smelled green.“
„Some of us carry guns.“
„And the fights happen every night.“
„There is nothing here, nothing to fear.“
„How can a nice guy like you end up in a job like this?“
„You can never ever never ever crash.“
„Everybody’s nice, when they’re holding a gun.“

Das war zu viel für mich. Der Entschluss, mit diesem Kauz keine Tasse Tee zu trinken, verfestigte sich in mir. Er kletterte stampfenden Schrittes, wild gestikulierend und vehement hadernd zum Fenster hinaus. Ein Hauch von Mitgefühl umwehte mich und an manchen Stellen stellten sich mir die Haare zu Berge. Ich wusste zwar immer noch nicht, woher er kam und was er wollte, aber ich ahnte, dass ich ihm wieder begegnen würde, eines Tages, ob ich wollte oder nicht. Was er wohl war — der Größenwahn? Das personifizierte Unheil, das Elend? Oder alles Widerspenstige in Einem? Vielleicht der Wahnsinn, vielleicht die Moderne? Oder die Angst, die Avantgarde, der Verfall? Der arme Irre sprach zu wirr, um nur ein gewöhnlicher Lump zu sein.

7 Kommentare zu “Xiu Xiu + Eugene S. Robinson – Sal Mineo”

  1. Doc sagt:

    Selten so einen Schwachsinn gelesen.

  2. Pascal Weiß sagt:

    „Wieder spuckte er mir ins Gesicht. Langsam machte sich der Kerl bei mir unbeliebt.“
    Herzlich gelacht. Schwachsinn? Vielleicht. Wenn, dann aber sehr amüsanter.

  3. Schwachsinn? Nope, Kunst! Hohe Literatur! Schwer verständliches Geraune! Denn: L’art pour l’art. Und wenn die Kunst mir halt als schwer verständliches Geraune daher kommt, dann reproduziert meine Wahrnehmung sie eben als solche bzw. als Schwachsinn.

    Bzw.: Das lyrische Ich (nicht identisch mit dem Autor) wird mit einer Erscheinung konfrontiert, mit der es nichts anzufangen weiß und die ihm zu hektisch, zu kreischend und zu spuckend spricht, um sein Herz zu ergreifen. Hiermit transzendiert der Autor (nicht identisch mit dem lyrischen Ich) die Erfahrung des Hörens dissonanter, krachiger, unangenehmer Musik (Motivik des Spuckens: Disssonanz!) zu einem kurzen Prosastück, in dem seine Verwirrung, seine Kritik, aber auch ein Hauch Faszination liegen. Vor Dissonanzen kapitulieren Sinnzusammenhänge, nur wie gekonnt? So wie Stewart und Robinson wohl mit dem Stigma der Unhörbarkeit leben müssen, so scheint der Autor das Kainsmal des Schwachsinns sich nicht abwaschen zu können. Das soll Musik sein? Das soll eine Rezension sein? Die Passung des Unpassenden überschreitet Formen und Geschmäcker. Oder: Was soll der Quatsch?

    :)

  4. Ich erwartete eine Rezension und fand einen feinen Text. Gut. das hätte eine Rezension auch sein können. Aber Schwachsinn? Nicht doch, dafür gibt’s zu viele Informationen, nicht viele, aber dennoch. Schwachsinn ist doch nimmer so informativ!

    Und obendrein befindet sich unter dem Text ein Stream. Nimmt man beides zusammen, erhält man zwar nicht die Informationen zum Album, die man auch auf der Seite des Labels finden könnte (denke ich mal, ich hab‘ noch nicht nachgeschaut), aber einer sehr, sehr vagen Eindruck von seiner Wirkung.

    Nach der Lektüre könnte man deshalb den Wunsch verspüren, die Musik anzuhören. Was ich jetzt nicht schlimm finde.

    Und wenn Du selten etwas so Schwachsinniges gelesen haben solltest: einfach ein wenig mehr lesen.

  5. Doc sagt:

    Deine Intention war mir auch schon vorher klar, Sebastian.
    Dennoch: Eine Plattenrezension sollte eben im Kern auch einfach eine Plattenrezension bleiben und ganz klare Informationen liefern – Was hören wir? Ist es gut oder schlecht? Warum ist es gut oder schlecht? – Simpler Gebrauchstext, gepaart mit der Meinung des Autors.
    Ich finde es eben immer etwas mühsam (mitunter auch peinlich) wenn sich Rezensenten plötzlich als große Literaten verstehen und pseudo-originelle und pseudo-witzige „Kunsttext“ verfassen.

    Deine Besprechung funktioniert für mich (!) dabei weder als Rezension, noch als Prosa/Kurzgeschichte/Whatever… Dafür weist sie in beiden Bereich einfach zuviele Mängel auf.

    Das ist aber natürlich nur meine Meinung.
    Beleidigen wollte ich dich damit in keinster Weise.
    Unter allen „Rezensions-Plattformen“ gehört „auftouren.de“ sicherlich zu den besseren.

    PS: Eine mMn wesentlich bessere Besprechung des Albums findet man übrigens hier: http://www.spex.de/2013/05/10/xiu-xiu-eugene-s-robinson-sal-mineo/

    Mfg
    Doc

  6. Hey, Doc!

    No offense taken! Immerhin wurde meine Intention klar. Das ist doch was!
    „Simpler Gebrauchstext“… na ja… das kann eine Rezi sein, aber so sehr Spaß macht das nicht (immer) und in diesem Fall gar nicht. Nicht für mich. Ich finde, eine Rezension kann mehr sein, z.B. auch eine assoziative Geschichte. Bei „Sal Mineo“ wollte ich lieber den Weg der indirekten Beschreibung der Verwirrung und Schroffheit eingehen als den üblichen. Informationen findet, wer sucht. Gefühle sind da und lassen sich schwer ausdrücken. Weißt du, ich umarme gern die Vagheit.

    Bei anderen Rezensionen stelle ich mich ja auch den Fakten und gebe sie sogar manchmal wider, hier war mir überhaupt nicht danach. Ich werde mir sowohl im Bereich Rezension als auch bei Prosa/Kurzgeschichte/Whatever, besonders aber bei Whatever, mehr Mühe geben: Mehr Fakten, mehr Kunst! (Mehr Mühe?) Ich hoffe, mit dem Text erscheine ich dir eher mühsam als peinlich und das Augenzwinkern hinter meiner Rede von Hochkultur und Kunst hast du ja sicherlich auch bemerkt, nicht wahr?

    Schön, dass dir auftouren.de trotzdem gefällt!

  7. Doc sagt:

    Das Augenzwinkern ist angekommen, Sebastian.
    Das „peinlich“ war auch eher allgemein gemeint und bezog sich nicht auf deinen Text.
    Mit allem anderen hast du natürlich schon irgendwie recht. In Zeiten des Internets, Online-Streaming etc. stellt sich natürlich zwangsläufig die Frage, ob Rezensionen denn noch relevant sind und ob sie sich überhaupt mit so etwas wie simplen Informationen (Wer, Wie, Was) beschäftigen müssen.
    Warum etwas beschreiben, was man nach zwei Klicks selbst hören kann.
    Insofern akzeptiere ich deinen Text einfach mal als Versuch, das ganze auf eine „andere Ebene“ zu heben.
    Soll heißen: Du (nicht dein Text) hast mich überzeugt.

    Sowieso sympathisch das du hier auf das „anonyme getrolle“ von irgendeinem Idioten (ich) eingehst und dich erklärst.

    Wie gesagt: Auftouren.de ist eine wirklich gelungene Seite, mit guten Autoren und in Deutschland mMn ziemlich konkurrenzlos. („Plattentests.de“ oder „Laut.de“ kann da ja keine Alternative sein. :D)

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