Wenn Tyler Blake and Michael David da mal den Mund nicht zu voll genommen haben. „Klassiker“, das beansprucht Zeitlosig- und Nachhaltigkeit für sich – Qualitäten, die eigentlich nicht im Voraus erkennbar, geschweige denn gezielt erzeugbar sind.

Doch wenn dem Debütalbum des Discopop-Duos aus L.A. eines nicht anzuhören ist, dann das Gewicht schwerer Erwartungen. Grazil eröffnet das Titelstück „Hanging Gardens“ mit betörender Weichheit, bis über Handclaps fast genau in der Mitte der Beat einsetzt, Synths über sich herabperlen lässt, zartem Gitarrenklimpern und sirenenhaftem Heulen gleichermaßen einen tragenden Körper schenkt. Vor allem die fein geformten, variierenden Effekte drumherum sind es, die diesem wie den folgenden Stücken organische Lebendigkeit jenseits schematischer Routine verleihen.

Man müsste Blake und David aber auch zutiefst beneiden, könnten sie Singles wie das bass-elastisch hüpfende „Holding On“ aus dem Ärmel schütteln, oder „All You’re Waiting For“, das im Wechsel mit Nancy Whangs ebenso schneidigen Vocals groovt und nach dem synthigen Anziehen der Spannungsschraube im Refrain mit erhobenen Händen die Spiegelkugel umgreift. Classixx transportieren Club-Dynamiken ebenso wirkungsvoll in wohlgefeiltem Sounddesign wie traditionelles Pop-Songwriting, Letzteres nirgendwo bezaubernder als im lichtgefluteten „A Stranger Love“. Und das, ohne sich darin zu versteifen, einen auf geschmackvoll machen zu wollen – wenn „I’ll Get You“ ein vocoderisiertes „Do you like bass?“ von Junior Seniors Jeppe braucht, dann kriegt es das auch, ob es damit Großraumdisco-kompatibel wird oder nicht. Besonders das Arrangement der ersten Albumhälfte zeigt sich durchdacht: „Rhythm Santa Clara“ ist kühl-robotisch, fast schon Techno, wird von seiner überaus menschlichen Schwester „Dominoes“ gefolgt, bevor diese wieder im kühlen Stampfen ihres Bruders endet. „A Fax From The Beach“ und „Long Lost“ schließlich finden nach diesem Temperaturwechsel in der gemütlichen Mitte ihr Wohl.

Es war kein kurzer Weg bis hierhin. Bereits 2008 machten Classixx mit Remixen von sich reden, erarbeiteten sich auch live einen Ruf als exzellente DJs. Nur wenige sind jedoch in diesen Feldern ebenso talentiert wie mit Eigenproduktionen, erst recht, wenn es an ein ganzes Album geht. Dass Classixx‘ Remixe oft Überzogenes in smoothe West-Coast-Moods mit wenig Tiefgang überführten, war ebensowenig eine vielversprechende Ausgangsbasis wie die Schnelllebigkeit der Szenen und Trends um sie herum. Tatsächlich finden sich noch Restspuren von französischem Filterhouse à la Kitsuné, aber ebenso DFA (im euphorischen „All You’re Waiting For“), nordischem Space-Italo (das traumhafte Outro „Borderline“) und europäischem House-Pop der Jahrhundertwende („Holding On“, „I’ll Get You“) in diesem Nu-Disco-Vergnügen.

Die größte Hommage dabei ist jedoch die an Tangerine Dream im Albummotiv. So sehr „Hanging Gardens“ in seinem abgesteckten Rahmen eklektisch wie eine Compilation oder einer von Classixx‘ Mixen ist, zerfällt es nicht in heterogene Klüftungen oder lässt die verschiedenen kollaborierenden Stimmen übermäßig dominieren. Classixx sind Perfektionisten, von der Hardware bis zum finalen Mix-Balancieren haben sie über zwei Jahre an diesem wundervollen Album gefeilt, das voll auf die Vergnügungsrezeptoren des Gehirns anvisiert ist. Ob es sich als moderner Klassiker erweisen wird, ist egal – Fühlen geschieht jetzt.

Ein Kommentar zu “Classixx – Hanging Gardens”

  1. Thomas P sagt:

    Tolle Kritik, sie trifft passgenau das Album. Werde es erwerben. Gut geschrieben…

    so long!

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