VHÖLVHÖL
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Label:
Profound Lore
VÖ:
10.05.2013
Referenzen:
Ludicra, Krallice, Blut Aus Nord, Ash Borer, Nachtmystium
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Autor: |
Mark-Oliver Schröder |
Die letzten Jahre haben sich als fette für Metalheads landauf und landab erwiesen. Das Genre zeigt sich lebendig und experimentierfreudig wie lange nicht mehr. Der Ausstoß an Alben, zum Beispiel von Wolves In The Throne Room, Krallice, Blut Aus Nord, Boris, Sunn O))) oder Bell Witch, die auch außerhalb von eingefleischten Aficionadozirkeln wahrgenommen werden und die das Genre aus der (selbst gewählten?) Isolation herausführen, steigt stetig.
Pitchfork betreibt mit „Show No Mercy“ seit Langem eine Metalecke (inklusive Jahresbestenliste), auch Stereogum hat neuerdings eine solche im Programm und natürlich gibt es manche Fans, die sich um die Exklusivität und Verruchtheit „ihres“ Genres betrogen fühlen. Die Band, um die es nun gehen soll, VHÖL, rekrutiert sich aus gestandenen Recken diverser Spielarten dieser derben Musik. Ihr Debüt „VHÖL“ erscheint auf Profound Lore, wiederum ein Label, das eine fast gespenstische Dichte an herausragenden Veröffentlichung (Bell Witch, Pallbearer, Ash Borer, Krallice, Evoken, Portal … die Liste ließe sich fortsetzen) vorzuweisen hat und das an der oben skizzierten Entwicklung dadurch sicherlich nicht ganz unschuldig ist.
VHÖL kann man mit Fug und Recht als „Supergroup“ bezeichnen. Und folgt man den Aussagen der beiden federführenden Mitglieder John Cobbett (Hammers Of Misfortune) und Aesop Dekker (Agalloch, Worm Ouroboros), die vorher in der Black-Metal-Formation Ludicra (immer noch sehr zu empfehlen, auch wegen des weiblichen Gesangs – eine absolute Ausnahme auch und gerade in diesem virilen Genre) zusammenspielten, sollte die ganze Combo eigentlich eine Eintagsfliege werden. Ein Album, weil man so gern zusammenspielt und gut ist’s. Da die beiden dann wohl doch nicht alles alleine machen wollten, gesellten sich noch die Multiinstumentalistin Sigrid Sheie (ebenfalls Hammers Of Misfortune) am Bass und Mike Scheidt (YOB) am Mikrophon dazu. Die Gewinnung dieser beiden stellt sich als extrem gewinnbringend heraus.
Schon im ersten Song „The Wall“ springt die Band freudig zwischen Black Metal, Hardcore, Thrash- oder Heavy Metal hin und her. Womit die programmatische Ausrichtung schon einmal abgesteckt ist: Die „reine“ Lehre, oder das Erstarren im formelhaften „True-ismen“ ist nicht zu erwarten. Das Riffing von Cobbett ist allgemein hart, bietet aber genug Raum für Melodiebögen auch außerhalb von Solopassagen. Diese wiederum balancieren, auch klanglich, oft nahe am Kitsch („Insane With Faith“) oder nehmen mal arabeske Züge („Arising“) an. Die Rhythmusgruppe agiert äußerst agil und nahe am Limit, die Breaks und Tempowechsel kommen spielerisch, fast ansatzlos. Aber Dekker feuert nicht nur unaufhörlich atemlose Double-Bass/Snare-Gewitter, sondern peitscht die Band gerne mit galoppierendem Cow-Punk’n’Roll voran oder experimentiert schon mal mit afrobeatigen Off-Beats. Doch kommen wir auf den obig erwähnten Glücksgriff zurück: Mike Scheidt intoniert seine Vocals mal genretypisch guttural, mal bellt er wie ein tollwütiger Hardcore-Shouter oder flötet mit 80er-Heavy-Metal-Kopfstimme („Arising“). Mit seiner Vokalakrobatik trägt er nicht unwesentlich zur Vielseitigkeit der Band bei, zudem werden seine Gesangsparts oft von Sheies klarer, weicher Stimme gedoppelt. Aus diesem Zusammenspiel entwickelt sich ein ganz eigener transgressiver Effekt, der auch im Hinblick auf die Gesamtwirkung der Band nicht zu unterschätzen ist.
Keiner der sieben Songs auf „VHÖL“ unterschreitet die Fünf-Minuten-Marke, die Band vermeidet es aber, ihre Songs über die magische Grenze von 10 Minuten, die im Black Metal gerne überschritten wird, auszudehnen und sie dadurch zu sehr in halsbrecherische Meditationen ausufern zu lassen. Der längste Song „Set To Await Forever“, der am Ende das Album geradezu schlafwandlerisch ausklingen lässt, geht nach gerade mal 8:25 über die Ziellinie. VHÖL erweisen sich beim Umgang mit dem gewählten Genre und ihrem Spiel mit Verknüpfungen über dessen Grenzen hinaus als äußerst spannend und Augen öffnend.