GhostpoetSome Say I So I Say Light
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Label:
PIAS
VÖ:
03.05.2013
Referenzen:
Tricky, The Streets, Roots Manuva, Muso, Gonjasufi
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Autor: |
Bastian Heider |
Das musikalische Repertoire der menschlichen Stimme, vom Opernsänger bis zum Black-Metal-Shouter, ist vielseitig. Um allerdings die „Technik“ des Murmelns in popmusikalischen Zusammenhängen salonfähig zu machen, musste wohl erst einer wie Ghostpoet um die Ecke kommen und mit seinem vielgelobten Debütalbum „Peanut Butter Blues And Melancholy Jam“ aus dem Stand eine Mercury-Prize-Nominierung einheimsen.
Rap oder gar Flow kann man das jedenfalls kaum nennen, womit Obaro Ejimiwe über seine irgendwo zwischen britischer Clubmusik und Indiepop sozialisierten Tracks sprechsingt. Vielmehr fühlt man sich beim stolpernden Slang des Coventryers an den wirren, Selbstgespräche führenden Typen aus der U-Bahn erinnert, der auf den zweiten Blick vielleicht doch ganz interessante Dinge zu erzählen hätte.
Mit seinem zweiten Album wagt der einstmalige Bedroom-Producer Ejimiwe nun den nächsten Schritt. Zwecks Vertiefung der eigenen Soundpalette ließ er sich von Richard Formby unterstützen, der in jüngerer Vergangenheit schon das eine oder andere Mal (Wild Beasts, Darkstar) ein produktionstechnisch goldenes Händchen bewies. Dass diese Zusammenarbeit gefruchtet hat, äußert sich auf „Some Say I So I Say Light“ vor allem in einem schier unerschöpflichen Facettenreichtum, der sowohl Ghostpoets analoge, gitarrenorientierte Seite als auch seine Bezüge zu Post-Dubstep und elektronischer Clubmusik stärker denn je in den Vordergrund rückt. Musikalisch wird hier wirklich einiges verarbeitet: Die UK-Garage-Hommage „Cold Win“ zum Besipiel überrascht im Schlussteil mit Jazzhörnern aus der Notwist-Schule. „Dial Tones“ hingegen schmiegt sich mit seinem kühlen Soul und Gastsängerin Lucy Rose nahezu perfekt in eine Reihe mit aktuell angesagten Pop-Minimalisten wie James Blake und The xx. Und während „Plastic Bag Brain“ noch relativ nachvollziehbar komplexe Drums von Tony Allen und klirrende Afro-Gitarren von Dave Okumu (The Invisibles, Produzent von Jessie Ware) verwebt, verschmelzen die verschiedenen Einflüsse gegen Ende von „Sloth Trot“ endgültig zu einem atmosphärisch rockenden Psychedelic-Brocken.
Erstaunlicherweise driftet diese Vielfalt niemals in postmodernes Allerlei ab. Was die ambitionierten Spielereien letztendlich zusammenhält, ist neben Ejimiwes markantem „Spoken Word“-Gemurmel eine atmosphärische Dichte, die sich wie ein bedrohlicher Schleier über die Tracks legt. „Some Say I So I Say Light“ als Ganzes umweht eine urbane Düsternis von burialschen Dimensionen. Der unbeschwerte Dilletantismus und die zumindest gelegentliche Schmissigkeit des Debütalbums mussten einer neuen Ernsthaftigkeit weichen, die eher entdeckenswert als vordergründig einladend wirkt. Dass Ghostpoet sich selbst trotzdem nicht allzu ernst nimmt, machen hingegen die Texte deutlich, wenn sie Introspektives, Surreales und Profanes aufs Kurioseste durcheinanderwirbeln. Diese sympathische Schrulligkeit geht schließlich sogar soweit, dass auf „Msi Musmid“ Dim Sums und Nudeln einander bekriegen.
Ob „Some Say I So I Say Light“ den Erfolg seines Vorgängers toppen können wird, bleibt aufgrund der erschwerten Zugänglichkeit eher fraglich. Als stimmige, fein produzierte und den Zeitgeist auf höchst eigene Weise verarbeitende Weiterentwicklung funktioniert dieser Zweitling jedoch hervorragend. Ein Album, dessen Tiefe und Facettenreichtum zumindest mich noch einige Wochen und Monate beschäftigen werden.