Wäre der Titel der am härtesten arbeitenden Band/des am härtesten arbeitenden Mann im Garage-orientierten, psychedelischen Fuzz-Rock nicht schon an Ty Segall vergeben, wären Thee Oh Sees wohl die aussichtsreichsten Kandidaten auf den Thron. Album auf Album haut die Band aus San Francisco seit 2006 jedes Jahr heraus (bis zu drei in einem) und es erscheint sträflich, wie sehr wir sie auf dieser Seite vernachlässigt haben. Die Tatsache, dass viele ihrer Alben hierzulande zumindest in physischer Form nur via Import zu haben sind, wird wohl zu dieser Lücke beigetragen haben.

An dieser Stelle eine kleine Anekdote, die mir als bezeichnend für den hiesigen Bekanntheitsgrad und merkantilen Stellenwert dieser Ausnahmeband erscheint: Angefixt durch ihre 2011er Veröffentlichung „Carrion Crawler / The Dream EP“, welche ich noch in den USA geordert hatte, war ich freudig überrascht mit „Help“ ein weiteres – älteres – Album zu einem annehmbaren Preis beim Großversand A. zu finden. Flugs den Silberling bestellt und …
Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie erstaunt ich war, als ich die Lieferung öffnete. In meinen Händen hielt ich, in einem Jewel-Case (mit Alternativ-Artwork und mit dem Vermerk „Hergestellt im Auftrag von A.“) verpackt, eine bedruckte CD-R! Es gab diese CD nur „on demand“ – irgendwie seltsam und eben bezeichnend.

Nun gut, zurück zu „Floating Coffin“, dem elften Album der Band um John Dwyer. Wo sich ihre anderen musikalischen Mitstreiter wie The Fresh & Onlys mehr Richtung Pop öffneten und sogar mit 80er-Einflüssen spielten, setzen Thee Oh Sees – auch live – auf bestens umzusetzende Schlüsselreize: Laut-Leise-Dynamiken (innerhalb von Songs, aber auch beim Albumablauf), viel euphorisches „Wow“ und „Ah“ und ab geht der hochexplosive und psychotrope Psycho-Punk-Abflug. Exemplarisch sei hier nur einmal das eröffnende Trio „I Came From The Mountain“, „Toe Cutter – Thumb Buster“ und „Floating Coffin“ genannt. Allerdings wartet am Anfang des letzten Drittels eine echte Überraschung: „Night Crawler“ sprengt den sonst gewählten Rahmen aus The Cramps, Gun Club, Jefferson Airplane, schwebendem „Electric Ladyland“-Hendrix, Krautrock, Americana und langen Autofahrten auf Peyote durch die Wüste gehörig auf. Mit seiner (Moog-)Synthesizer Melodie und der schleppenden Schlagzeugwalze ist „Night Crawler“ ein grandioser New-Wave/Postpunk-Heuler allererster Güte, den man so dann doch nicht erwartet hätte. Auch das psychedelische Geflöte im trippigen „Tunnel Time“ ist nicht von schlechten Eltern. Und wenn am Schluss im fantastischen „Minotaur“ auch noch ungeniert „We’ll Meet Again“ – ein unvergesslicher Gassenhauer aus dem zweiten Weltkrieg, bekannt aus Kubricks „Dr. Strangelove“-Endsequenz mit den explodierenden H-Bomben (vom krakeelenden Atom-Kim konnte die Band wohl kaum etwas geahnt haben) – interpoliert wird und sich an dessen Ende alles in Brummen auflöst, kommt man fast nicht umhin, sich eine Träne aus dem Knopfloch zu wischen. Großartig!

Insgesamt erscheint „Floating Coffin“ nicht ganz so stark wie der Meilenstein „Carrion Crawler / The Dream EP“ oder „Putrifiers II“, aber wir nörgeln hier auf ganz hohem Niveau und allein diese drei Alben sind besser und stringenter als manches, was andere Bands in ihrer ganzen langen Karriere veröffentlichen.

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum