Im Unterbewusstsein verschwimmen die Grenzen und die definitorische Macht der Vernunft verpufft in Verzweiflung und Rage. Darin liegt der Terror.

Und auch wenn romantisierende Biedermänner und hippieeske Esoteriker meinen, die Liebe halte alles zusammen, dann belügen sie sich und alle: Liebe wird gemeinhin überschätzt und erdet nur allzu selten allzu wenig. Ohne Liebe lässt sich genauso leben wie mit. Und wem die Liebe Lebensgrundlage ist, der übertreibt, denn beispielsweise im Fensterputzen, Broteschmieren, Kacken findet sich zumeist keine Liebe, sondern nur eine emotionale Leere, eine Funktionalität, die das Brachland ihrer Sensibilität hinter einer bleichen Fassade verschanzt. Darin liegt der Terror: Der Terror der Liebe und der Funktion. Im Schrecken klopft das Unterbewusstsein ans Gemüt und Angst, Furcht, Sorge erschließen unsere Welt gewaltsam und unaufhörlich. Kein Kampf und keine Lüge wissen dagegen vorzugehen. Darin liegt der Terror. Mit Hilfe von Terror kann höchstens mit dem Terror umzugehen gelernt und seine Wucht, seine Kraft, seine Wut umarmt werden, und das nicht weniger gewaltsam und stürmisch. Retrain your brain!

Solcherart Wort gewordene Angst nährt das neue Album der Flaming Lips, genannt „The Terror“. Wem das zu niederschmetternd klingt, der muss sich wohl noch dringlicher und wilder in den Schlund seines terroristischen Unterbewusstseins fallen lassen, denn alle Vorwürfe der Negativität greifen da zu kurz, wo sie verteufelt wird. Das Feuer des Unbehagens wärmt irrende Geister und in düsteren Gedanken steckt Kraft und Poesie. Dies klingt nicht trostlos, sondern edel und frei und von famoser Schärfe. So klingt „The Terror“.

Wenn man denn die monotonen Rhythmen, die verdrehten Sounds, die ferne, ferne Stimme Wayne Coynes, wie sie scheinbar wahllose Statements der Niedergeschlagenheit intoniert, Songs nennen mag, so breitet sich der Terror auf neun ebensolche aus. Aber das müssen ja auch keine Songs sein. Es sind Geräuschstudien und Seltsamkeiten, unscharf in Dream Pop, Industrial, Psychedelic, Krautrock, Noise, Minimal Techno und Avantgarde verortet. Das könnte Kunst sein. Die Flaming Lips haben ihre kindliche Verspieltheit tiefer gelegt und ihre hymnische Süße mit Terror zugeschüttet. Ganz unten unter Störgeräuschen könnten Melodien lauern. Vielleicht im Refrain von „Try To Explain“, wie er genussvoll in die Länge gezogen wird. Das könnte Pop sein, wäre das rhythmische Geräusch nicht so ein bedrohliches Blubbern. Das Stück „The Terror“ könnte entspannt sein, wäre es nicht so bedrohlich, und eingängig, wäre sein Höhepunkt nicht eine Ekstase an Krach. Man glaube dem Versprechen von „Look… The Sun Is Rising“ kein Wort: Der Sonnenaufgang ist von Nebel verdeckt und mehr maschinell ratternd denn galant gleitend. Der spannendere Tagesbeginn allzumal.

Die Pop-Elemente sind die Störelemente (siehe auch: „The Terror“, der Song). Das ist keine neue, aber eine eingängige Formel. Wie Existenzialismus ohne Selbstverwirklichungspathos. Den braucht ja auch keiner, denn was will man schon verwirklichen außer das Selbst. Und im Selbst steckt das Unterbewusstsein und in dem steckt der Terror. Die Störgeräusche stehen für all das: Bei „Butterfly, How Long It Takes To Die“ in einem von schneidigem Gitarrensound umhüllten Geisterhaus, beim nervösen „Always There… In Our Hearts“, in dem der Bass auf einer Note balanciert und im rechten Moment und zurückhaltend versteht, Pirouetten zu schlagen, während der Song immer ausartender rumort und rockt, niemals banal, immer laut und fordernd. So in etwa könnten die Blumen des Bösen klingen, so schön rauschend.

In „The Terror“ kann man sich verlieren. Über den Weg der Kopfhörer etwa. Und wenn das auch arg „depri“ wirkt, so ist das nur der Sound der Zeit – also nicht der Zeit generell, denn darüber lässt sich kaum etwas ohne Hybris sagen, sondern meiner Zeit. So wie bei „The Velvet Underground And Nico“ oder „Kid A“ klirrt durch „The Terror“ das kalt gestellte Unterbewusstsein hindurch und das verstörende und zersetzende Element durchdringt alle Schönheit, so dass diese nur durch und als Zerstörung und Versetzung auftritt. Die Pop-Songs funktionieren mehr als potentielle Skelette ihrer Gefälligkeit (Beware the Konjunktiv!). Sie sind in ihrer Weite und ihrem Sinn für Experiment definitiv und alle Sperrigkeit hat ihren Zweck („You Lust“: Dreizehn stimmig gefüllte Minuten, das können Can nicht immer). „The Terror“ kommt dem kaputten Unterbewusstsein nahe. Das ist das Besondere, so klingt die Zeit, das ist „The Terror“.

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