Der Folkspaziergang: Aufs Land

Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt. Volkstümliches Landidyll, das sich in diesen Zeiten, zumindest in den hiesigen Breitengraden kaum vorstellen lässt. Das Pferd, das die seit Wochen hartgefrorene Ackerkrume mit bloßer Muskelkraft durchschlagen sollte, muss wohl noch geboren werden. Da trotz vereinzelter Sonnenstrahlen und der wagen Hoffnung auf ein zumindest trockenes Osterfest immer noch kein Frühling in Sicht ist, muss sich der traditionelle Osterspaziergang durch die bunte Folk- und Countrywelt auch ganz schön dick einmummeln.

Traditionell wenig mit solchen Sorgen belastet sind südlichere Gefilde und was läge hier näher, als den amerikanischen Süden aufzusuchen und mit Phosphorescent und dessen faszinierendem neuen Album „Muchacho“ den Reigen zu eröffnen. Matthew Houck entdeckt ambiente Strukturen, die er als Rahmen für seine Mexikoreise verwendet, lässt Meditation und Kontemplation viel mehr Raum als auf seinen bisherigen Werken. So wirkt „Muchacho“ entspannender und beruhigender als der Blick aus dem Wohnzimmerfenster. Doch immer, wenn sich Hörer und Musiker zu sehr einlullen scheinen zu lassen, wandelt Houck seinen originären Landklang in eine neue Seltsamkeit um, die er sich aus aufgesammelten Elektrobasteleien und brummelnden E-Gitarren zusammenzimmert. Wohl dem, der Kostbarkeiten wie dem fabelhaften „Song For Zula“ einen solch fruchtbaren Boden bereitet.

„Muchacho“ ist am 15.03. auf Dead Oceans erschienen.

Fliehen wir vom Land in die typisch amerikanische Kleinstadt und setzen uns gemeinsam mit Jay Farrar und seinen Mannen alias Son Volt an die Bar. Beschaulich, mit Fiddle, Steel-Guitar und Honkytonk-Klavier nehmen sie ihren Albumtitel ernst, ohne jedoch selbst zu ernst zu werden. „Hearts And Minds“ heißt die Single und genau da liegt auch der Fokus der Songs: Frei von der Leber weg singt Farrar über Gott und die Welt und streitet mit dem kürzlich im Panorama erwähnten Daniel Romano um das schönste und altertümlichste Countryalbum des Jahres.

„Honky Tonk“ ist am 08.03. auf Concord erschienen.

Weniger aufs Land, sondern eher in viele verschiedene Länder zieht es Thos Henley auf dem vom britischen Reiseliteraten Patrick Leigh Fermor inspirierten Album „In Hearing Taste“. Silbern glänzend, romantisch idealisiert, jedoch immer auch mit einem Fuß auf dem Boden vagabundiert der junge Wahldresdener vorzugsweise durch europäische Gefilde. Mal singt er über „Le Vin Rouge De La Jeunesse“ und scheint sich augenzwinkernd von eben jener zu verabschieden, dann wird er melancholisch bei „The Royal Road“ und schließlich erzählt er von den Wirren der eigenen kleinen Welt in „Love’s Comedy“. Spektakulär ist das eher selten, anmutig, sympathisch und begeisternd aber fast immer und somit frühlingsfrisch wie der junge Morgen.

„In Hearing Taste“ ist am 15.03. auf K&F erschienen.

Der Weg vom eher leichtfüssigen Henley zum folgenden und letzten Etappenziel könnte weiter nicht sein, denn auch die bei AUFTOUREN aktuell hoch im Kurs stehenden Australier tragen ihr Scherflein zum Spaziergang bei. Doch nicht nur die reine Strecke, auch die musikalische Entfernung gleicht einem Gewaltmarsch, verfangen sich doch auf „Eyes Like The Sky“ von King Gizzard & The Lizard Wizard Country und Blues in einem Netz aus psychedelischem Horror, Spoken-Word-Einlagen aus der Hölle und satanischem Wüstenrock. Allein das songorientierte „Evil Man“ reitet auf einem weniger störrischen Rhythmus, der Rest des wahnwitzigen Parforceritts galoppiert schon mal über Wegstrecken jenseits aller befestigten Wege. Doch wenn die bratzige Stimme King Gizzards wie selbstverständlich durchs Unterholz bricht und den Cowboys den rechten Weg weist, kommt es zu einem vermeintlich guten Ende.

„Eyes Like The Sky“ ist am 15.02. auf Flightless Records erschienen.

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