HookwormsPearl Mystic

Hakenwürmer sind biologisch gesehen fiese kleine Parasiten, die sich durch die Haut des Wirts bohren und sich im Dünndarm von Menschen und anderen Säugern einnisten, um dort Blut zu saugen. Sie sind weit verbreitet, geschätzte 600 Millionen Menschen infiziert. Hookworms aus Leeds würden sicherlich auch gerne 600 Millionen Menschen an den musikalischen Haken nehmen, nachdem sie sich über die Ohren in ihren Gehirnen eingenistet haben – wie soll nun dieser Plan umgesetzt werden?

Es muss irgendwann Ende der 80er gewesen sein, als mir ein damaliger Freund die wunderbare Welt der Spacemen 3 vorstellte. Deren ausgeprägter Hang zu Gospel- und Blues-inspirierter, an Velvet Underground geschulter Psychedelic fügte sich als passender und willkommener Mosaikstein in meine damalige Vorliebe für The Stooges, den kruden Avantgarde-Noise-Rock von Shockabilly, die wilden Soundschichtereien von MBV und die neo-hippieesken Ausbrüche von Dinosaur Jr. Eine musikalische Melange, welche bei Teilen meines Punk und Hardcore präferierenden Freundeskreis nicht immer auf Gegenliebe stieß – zum Einen, weil ihnen plakative Polit-Ansagen fehlten oder im ausgestellten Krach weniger offensichtlich war, zum Anderen, weil ihnen, einem konservativen Punkethos folgend, die Rückkehr der „Langhaarigen“ immer noch suspekt erschien.

Hookworms sind solche Überlegungen vermutlich scheißegal, die Spacemen 3 aber wohl kaum. Denn ihr Albumdebüt „Pearl Mystic“ nimmt die Fäden, die Spacemen 3 gesponnen haben, locker wieder auf, unterfüttert sie allerdings mit der physischen Präsenz der ganz frühen Verve und einer endlosen Liebe für Effektgeräte, wie sie auch die Norweger 120 Days an den Tag legten. Die meisten ihrer Songs überschreiten locker die radiotaugliche 3:30-Grenze und das Album ist merklich auf Fluss, zum Teil mit Song verbindenden instrumentalen Drones, produziert. Bei „Form & Function“ klingen durch arabeske Melodie und krautiges Schlagzeugspiel auch frühe Kasabian an, die, man hat es leider fast vergessen, auch einmal eine nicht gerade schlechte Band gewesen sind.

Zu den ausgebreiteten musikalischen Landschaften mit gelegentlichem Hang zum Freak-Out singsangt der Sänger allerdings nicht mit gelangweilter Larmoyanz. Vielmehr neigt der schlicht MJ genannte dazu, seine gleichberechtigt in die Textur der Musik integrierten Vocals mit viel Hall heraus zu schreien (zum Beispiel in „Since We Have Changed“) oder sich zu ebensolcher Musik somnambul wegdriften zu lassen („Preservation“, „What We Talked About“). Dieser Gesangsstil ist dem jungen Richard Ashcroft nicht unähnlich. Wobei gerade „What We Talked About“ mit seinem Gospelchor und dem verlängerten Ausklang über den Drone „iii“ tatsächlich als tiefe Verbeugung vor dem musikalischen Vermächtnis der Spacemen 3 oder Spiritualized verstanden werden kann.

Hookworms zu unterstellen, ihrer Musik ginge nahezu jegliche Originalität ab, mag angebracht und vertretbar sein. Aber alle, die sich fast 45 Minuten Zeit nehmen werden sich wundern, wie schnell sie dann doch am Haken hängen und nicht mehr los kommen.

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