BilalA Love Surreal
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Label:
BBE
VÖ:
15.03.2013
Referenzen:
Erykah Badu, Marvin Gaye, Robert Glasper, Frank Ocean, KING, Thundercat, D'Angelo
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Autor: |
Uli Eulenbruch |
„Beurteile ein Buch nicht nach seinem Einband!“ – diese Warnung rührt vor allem daher, dass die Aufmachung nicht unbedingt in Einklang mit Inhalt und Intention des Werkes einhergeht. Das Coverbild zu „A Love Surreal“ ist jedoch nicht nur ästhetisch auf den leichten psychedelischen Touch von Bilals R’n’B-Destillat ausgerichtet, es gibt auch eine Anleitung vor, wie man dorthin gelangt. Denn dies ist ein Album, das man nicht nach seinen ersten paar Stücken beurteilen sollte.
Zwar wird man im Eröffnungssong „Westside Girl“ vom Basslauf Thundercats begrüßt, der vage Richtung Brainfeeder deutet, doch der gemäldehafte Nektar dieses Albums liegt weiter im Inneren. Wie die Blume des Cover-Artworks entblättert sich „A Love Surreal“ übers Saiten-Vibrato und narkotisierte Outro von „Winning Hand“ und das Westküsten-sonnengeküsste „Climbing“, bis man auf einmal bemerkt, dass man keinen Boden mehr unter den Füßen hat. Fast schon ambient schwebt „Right At The Core“ dahin, ist Essenz der Weichheit, die schon von Beginn an das Album durchzieht, doch nun überdeutlich erscheint.
Das große Kunststück, das Bilal vollzieht, ist eine destillierende Reduktion seiner Musik, ohne dass diese tatsächlich simpel würde. Eine elegante Fülle, die nicht als füllend wahrgenommen wird, wölkt sich beim Lauschen ins Hirn wenn Bilals Stimme sich von innen nach außen stülpt, wenn ausgehöhlte Beats plötzlich verschwinden und zerlegte Gitarrenakkorden nebst blubbernden Synth-Windhosen im emotionalen Dunst hängen. Wie ein Gemälde wirkt seine Musik dann komponiert, malerisch arrangiert, ohne Lücken in ihrer gefühlten Wirkung zu hinterlassen. Die zweite Albumhälfte verbiegt sich erst recht in mehr Formen, als es zunächst den Anschein hat, experimentiert akustisch mit dem Drumsound in „Astray“, der auf einem Parkplatz eingespielt wurde und aus weiter Distanz kraftvoll hallt. „Slipping Away“ ist bei aller choralen Opulenz und ausgedehntem Sechssaitersolo ganz Stimmvehikel für den Crooner Bilal, der umso zurückgehaltener im anschließenden „Lost For Now“ zu einer ultrazart im Hintergrund vorbeihauchenden Mundharmonika Folk-Vibes versprüht.
Stets von einem leichten Knistern durchwoben krönt „Butterfly“ die Wendungsfreudigkeit von „A Love Surreal“: Zum Klavierspiel Robert Glaspers dehnt Bilal seine Stimme in zunehmend stärkere Extreme, einhergehend mit einem sich dazu intensivierenden elektronischen Trillern und Piepsen. Dem Ausklang des Songs noch ein weiteres Stück und ein angejazztes Outro folgen zu lassen, ist dann eine Wendung zuviel. Doch dies ist kein Album, das kalkuliert auf die Charts zielt oder einer an wie auch immer zeitgeistigem R’n’B interessierten Presse einen sofort erkennbaren Appeal präsentieren will – auch wenn es einigen Fans (oder auch Nichtfans) von „channel ORANGE“ zusagen dürfte. Man muss nur ein wenig mehr investieren, als vorm Durchklicken zur nächsten Ohrattraktion kurz in die ersten drei Stücke reinzuhören.
Ging mir ganz genauso, ein feines Album, das sich erst ganz langsam erschließt.