Plattenpanorama – neue Alben im Schnellcheck (08/2013)


Wenn die Woche nur sieben Tage hat, kann man nicht jedes Album in aller Ausführlichkeit besprechen. Diesmal betrachten wir kurz und knapp neue Werke von Blue Hawaii, The Drones, Johnny Marr, Retrogott & Hulk Hodn und Sally Shapiro.

Blue Hawaii – Untogether

Und noch eines dieser modernen, angenehm eigenen Electropop-Projekte aus Kanada. Anders als bei Doldrums oder Purity Ring muten die Beats des Duos im Schliff europäisch-minimal an, ätherische Vocal-Konstrukte wie diese ist man sonst aber eher von Julianna Barwick gewöhnt. Nach herrlich verwunschener erster Hälfte fällt das Album leider ein merkliches Stück ab, wenn die Stimme nicht prädominante Klangfarbe und Melodieträgerin ist und die weniger flüssigen Schnipsel-Kompositionen zu konstruiert wirken. (Uli Eulenbruch)

Label: Arbutus | VÖ: 01.03.2013

The Drones – I See Seaweed

In Australien kuratieren sie mal eben das ATP Festival und laden My Bloody Valentine oder Godspeed You! Black Emperor ein. Hier in Europa kennt sie kein Mensch. Dabei haben The Drones (nein, mit Drone hat das nichts zu tun) mit dem dynamich ausproduzierten und mit reichlich Lautstärke-Spielraum versehenen „I See Seaweed“ bereits das sechste Album – alle sagenhaft! – auf dem Buckel. Ähnlich wortgewandt und zynisch wie Isaac Brock von Modest Mouse wütet Songwriter Gareth Liddard etwa in der brachialen Garagerock-Sau „A Moat You Can Stand In“ oder im zwielichtigen „The Grey Leader“ zu einem wahren Gitarren-Armageddon mit paranoid pessimistischer Zunge nahe am Stimmausfall, mimt zu balladesken Piano-Tupfern den Zahmen oder philosophiert zu Vatikan und Kamasutra. Real pain in the ass, my friends. (Pascal Weiß)

Label: MGM | VÖ: 01.03.2013

Johnny Marr – The Messenger

Kaum zu glauben, dass Johnny Marr erst jetzt sein offiziell erstes Soloalbum veröffentlicht. Verlernt hat er nichts, auch der Ausflug in die USA ist seiner Musik anzumerken. „The Messenger“ ist zwölfmal schnörkelloses Songwriting mit wenigen Widerständen und einer Stimme, die Marrs musikalischen Ansprüchen etwas hinterherhinkt, da sie wenig charismatisch ist. Der hier zelebrierte Britpop mit nordamerikanischem Einschlag kann dennoch vor allem durch Marrs begnadete Künste an der Gitarre einige Glanzpunkte setzen. (Felix Lammert-Siepmann)

Label: Rykodisc | VÖ: 01.03.2013

Retrogott & Hulk Hodn – Fresh Und Umbenannt

Das Kölner Duo Retrogott & Hulk Hod, ehemals Huss & Hodn, gehört nun schon seit einer ganzen Weile zu den Guten im deutschsprachigen Rap. Die Zutaten dabei sind altbewährt: Zurückhaltende, aber effektiv gesetzte Samples und Beats aus dem Pete-Rock-Gedächtniskatalog bilden die Bühne für Retrogotts schwer zu erläuternden Humor und ironiereiche Reflexionen, die intelligenter daherkommen als 99% dessen, mit dem man sich im Deutsch-HipHop sonst so herumzuschlagen hat. Der Brückenschlag zwischen derben Beleidigungen und etwas „tiefgründigeren“ Themenanrissen funktioniert dabei erstaunlich fließend und ungezwungen, auch wenn man letztendlich anmerken muss, dass Retrogotts ständiges „Truekeepen” und „Whack MCs”-Dissen sich auf dem dritten Album doch ein wenig erschöpft. (Bastian Heider)

Label: Entbs | VÖ: 01.03.2013

Sally Shapiro – Somewhere Else

Nach dem enttäuschenden Zweitwerk wirkt das schwedische Italo-Duo wieder frisch inspiriert. Die überragenden Singles des Debüts mögen weiter ausbleiben, dafür glänzt „Somewhere Else” mit Twee-Disco voll bemessener Details, wie sie schon Johan Agebjörns unterschätzte Solowerke auszeichneten. Shapiros Stimme bleibt unverkennbare Sympathin in Songs, die mitunter auch am Euro-Pop Saint Etiennes, Electro-Funk oder Balearic-Softrock anklopfen, von Arpeggio-Laserballett und synthetischen Kometenschweifen aber eine eigene, verträumte Opulenz erhalten. (Uli Eulenbruch)

Label: Paper Bag | VÖ: 08.03.2013

4 Kommentare zu “Plattenpanorama – neue Alben im Schnellcheck (08/2013)”

  1. Markus sagt:

    Warum wird die neue von den Drones denn hier versteckt?

    Bei 88% bin ich gleich doppelt gespannt dadrauf, der Vorgänger war nämlich echt super.

  2. Kai sagt:

    Gerade durch dieses Plattenpanorama bin ich auf euren Blog aufmerksam geworden und finde diesen immer wieder Klasse.

    Schön wäre eine Spotify-Playlist mit den neusten Alben.

  3. Hallo Markus, Hallo Kai!

    Die Drones wird nicht absichtlich „versteckt“. Als nichtkommerzielles Privatblog schreiben wir über das, was uns bewegt und begeistert. Das ist immer selektiv und subjektiv – und auch davon abhängig, wie viel Zeit der Autor hat, um Rezensionen in der Ausführlichkeit zu schreiben, wie er (oder sie) es vielleicht selbst gerne hätte.

    Die Alben, zu denen wir aus Gründen (Arbeit, Privatleben, andere Dinge erledigen) nur wenig schreiben können, landen eben in dieser Rubrik, um sie wenigstens erwähnt zu haben und dem ganzen Trubel da draußen ein bisschen mehr gerecht zu werden. Vor allem wollen wir weiterhin der Ausführlichkeit den Vorrang geben, auch wenn das vielleicht ein bisschen nostalgisch und anachronistisch gedacht ist.

    @Kai: Sofern möglich verlinken wir unter den Alben die Playlisten. Es kann aber immer sein, dass uns etwas durchrutscht. Auch da bitten wir um Nachsicht aus den oben genannten Gründen. Viele interessante Alben sind jedoch auch in der rechten Spalte unter „Streams“ verlinkt. Und das meist bevor diese bei Spotify verfügbar sind.

  4. Pascal Weiß sagt:

    @Markus: Waren in der Tat leider Zeitgründe, warum es nicht zu einer langen Rezi gelangt hat. Auf der anderen Seite soll das Plattenpanorama ja sowieso nicht nur dazu sein, mittelmäßige Alben abzufertigen. Übrigens: Wenn Du „Havilah“ gerne magst, wirst Du nicht nur das neue Album lieben. Sondern ebenfalls alle Studioalben zuvor;)

    @Kai: Vielen Dank! Wir haben ebenfalls große Freude daran. Und dank Spotify kann man sich freitags so schön durch viele neue – und häufig unbekanntere – Alben klicken, die man vielleicht gar nicht immer auf dem Schirm hatte.

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