Der Liedschatten (101): "Lick My Love Pump"

Led Zeppelin: “Whole Lotta Love”, März – April 1970

Der wohl überflüssigste Kommentar zu einem Song dürfte „Das gab’s doch alles schon!“ sein. Zumindest dann, wenn er ungefragt abgegeben wird.

Etwas anderes wäre es, wenn ein Freund im Jahr 2013 zum Beispiel eine durchschnittliche House-Maxi auflegt und begeistert feststellt, so etwas habe es noch nie gegeben. Natürlich muss diese Äußerung behutsam verneint werden. Das aber sollte nicht aus Rechthaberei geschehen, sondern weil ein solcher Irrtum ansonsten das Kennenlernen der bisherigen Veröffentlichungen eines Genres erschwert. Ansonsten gilt selbstverständlich: Wer das erste Mal House hört, hört das erste Mal House, nicht die historisch gesehen erste Housemusik, sondern seine erste Housemusik. Wird er dadurch Fan, ist er um ein emotionales Erlebnis reicher und besitzt eine Erinnerung, die ihm auch bei fortschreitenden Kenntnissen stets teuer sein wird. Er wird seine Beziehung zu den bewunderten Künstlern aber nicht ändern, nur weil ihm jemand sagt, irgendwer habe so etwas doch schon eher gespielt.

Und wenn schon? Was soll es zum Beispiel heißen, dass „Helter Skelter“ von den Beatles die Härte des Heavy Metal in anderer Form vorwegnahm? Das kann man ihnen anrechnen, sollte daraus aber nicht die Überflüssigkeit anderer Bands ableiten. Zugegeben, genau das würde ich im Falle Led Zeppelins gerne tun. Doch brauche ich nicht deshalb keinen weiteren Heavy Metal wie den Led Zeppelins, weil ich „Helter Skelter“ kenne, sondern einfach deshalb, weil mir das Genre wenig liegt und Robert Plant dämliches Zeug sang.

Aus diesem Grund wäre es nun reichlich albern, so zu tun, als seien Led Zeppelin und ihr Werk obsolet, nur weil die Beatles ein ihrer Musik verwandtes Lied gespielt haben.

Äußerst rar: guter Bastard-Pop. Sollten wir Led Zeppelin also trotzdem dankbar sein?

Auch bedenke man noch einmal, dass es ja nur ein einziger Song war. Nie und nimmer ließe sich dadurch ein Genre ersetzen, das zu glauben (und nicht nur polemisch zu wünschen) wäre höchst albern. Nein, so etwas sollte gar nicht erst gesagt werden – auch, wenn Jimmy Page mir als Sessionmusiker (Marianne Faithfuls Version von „As Tears Go By“, The Whos „Can’t Explain“, „Downtown“ von Petula Clark, das Album „Sunshine Superman“ von Donovan) lieber war. Dennoch war John Bonham ein bemerkenswerter Schlagzeuger und Robert Plants Gesang muss man nicht mögen, um zu erkennen, wie stilbildend er gewesen ist. Led Zeppelin sind sehr einflussreich gewesen, sie prägten den Heavy Metal ebenso maßgeblich wie das Klischee der dekadenten Rockband mit Privatjet, übergroßem Ego und nicht minder großen Drogenproblemen. Empfehlungen an Journalisten wie „1) Never talk to anyone in the band unless they first talk to you. 1A) Do not make any sort of eye contact with John Bonham. This is for your own safety.“ machten es diesen schwer, sich positiv über die Band zu äußern, selbst dann, wenn sie ihre Musik mochten, was oft aber gar nicht erst der Fall war. Später dann galt den frühen Punks ihre Musik mit überlangen Soli und den mythischen Themen als höchst aufgeblasen und verächtlich. An dieser Stelle wollen wir diesen Aspekt kurz etwas näher betrachten, da er höchst unterhaltsam ist.

Bodenständig ist das nicht.

 

 Auch das ist keinesfalls bodenständig.

 

Falls Ihr Euch gefragt habt, ob das womöglich bodenständig sei: nein, ist es nicht.

led_wholeDie mäßig ausgeprägte Bescheidenheit der Gruppe fand auch in der Bevorzugung des Albums gegenüber anderen Formaten Ausdruck. Sie legte es nicht darauf an, Hitsingles zu haben und verhinderte das Auskoppeln einzelner Stücke so weit wie möglich. Vor allem deshalb dürfte „Whole Lotta Love“ die einzige #1 ihrer gesamten Karriere, und das auch nur in Österreich und der BRD, gewesen sein.

„Whole Lotta Love“ besteht grob betrachtet aus zwei Teilen. Der erste wird vor allem durch Plants Riff getragen und wiederholt sich nach dem zweiten, einem verspielten, leicht bedeutungsschweren Exkurs in die Seltsamkeit der Studiospielereien mit Theremin. In der Radioversion des Songs ist er nicht enthalten, ein Zugeständnis an den Status quo, zu dem die Band vermutlich nur ungern bereit war. Ob dem Song in dieser Version allerdings wirklich etwas fehlt, scheint fraglich, sind doch vor allem Riff und Gesang kraftvoll und catchy, nicht das seinerzeit sicher aufregende Break. Anlass zur Aufregung liefert sicherlich auch der Text.

„You’ve been coolin‘
And baby, I’ve been droolin‘
All the good times, baby, I’ve been misusin‘
Away, way down inside
I’m gonna give ya my love
I’m gonna give ya every inch of my love
I’m gonna give you my love“,

das ist sehr eindeutig und lässt sich kaum missverstehen, vor allem nicht in Verbindung mit dem Zwischenteil. Nicht umsonst gelten Led Zeppelin als wichtigste Vertreter des Cock Rock, auch in anderen Stücken werden sexuelle Phantasien mit Zeilen wie “Silent woman in the night, you came / Took my seed from my shaking frame“ („The Wanton Song“) und „Squeeze me baby, till the juice runs down my leg / The way you squeeze my lemon, I’m gonna fall right out of bed.” („The Lemon Song“) besungen. Das ist machistisch und wurde ebenso wie weitere Rockismen hervorragend im sehenswerten Film „This Is Spinal Tap“ parodiert, der Euch abschließend anstelle Led Zeppelins empfohlen sei.

Ob das wohl eine gute Idee ist?

Ein Kommentar zu “Der Liedschatten (101): „Lick My Love Pump“”

  1. […] relativ zurückhaltend. Sicher wird gegniedelt, doch ist es ein erträgliches, in Relation zu etwa Led Zeppelin geradezu vernünftiges Auskosten eines Sounds ohne aufgezwungene Virtuosität. Vielleicht gelten […]

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