Ulrich Schnauss ist unter den deutschen Elektronikfricklern ein weitgehend Unbekannter im eigenen Geburtsland. Dies dürfte auch daran liegen, dass seine Herangehensweise an elektronische Musik eher „unteutonisch“ ist, steht Deutschland doch weiterhin international immer noch eher für straighten Techno oder House.

Der mittlerweile in London lebende Schnauss aber arbeitete sich bisher an einer Übersetzung von Shoegaze in Elektronik ab und war in diesem Zusammenhang einigen Acts auf Border Community nicht ganz unähnlich. Dieser Umstand und seine musikalische Herangehensweise verschafften ihm im englischsprachigen Raum und Asien einen gewissen Kultstatus und mit „On My Own“ fand sich einer seiner Tracks 2009 auf Rob Da Banks hervorragender „Shoegazing 1985-2009“-Compilation der ehrwürdigen, alten Glasgower Technodame Soma.

„A Long Way To Fall“ ist sein viertes Soloalbum und wie er selbst verlauten ließ, wollte er dafür seinen „Trademark-Sound“ hinter sich lassen. Dementsprechend sind auf „A Long Way To Fall“ stark verrauschte, noisig-melancholische Passagen und ein typisches Schnauss-Stück wie „I Take Comfort In Your Ignorance“ über weite Strecken nur als Sedimente zu entdecken – auch wenn jener Track im letzten Drittel noch einmal in eine ganz andere Richtung marschiert. Dass Schnauss schon längere Zeit auf der Insel verbracht hat, lässt sich auch an einigen Sounds die er benutzt erkennen. So werden einige Tracks von Reminiszenzen an Nu-Skool-Breaks durchweht und bei „A Forgotten Birthday“ oder „A Ritual In Time And Death“ kommen einem gar Trevor Horn und Art Of Noise in den Sinn.

Zu munter vor sich hinpluckernden und klackernden, kreisenden Beats entwickelt er seinen Sound jedoch nicht entlang der 80er, sondern mehr in Richtung einer Art trippig-sphärisch-balearisch anmutenden Dreampop, wie er auch gerne von Schweden (zum Beispiel Korallreven oder jj) goutiert wird. Ohne deren übersprudelnden musikalischen Optimismus vollständig zu teilen, driften Schnauss‘ Tracks im letzten Drittel zuweilen in nebligere Gefilde mit Untiefen ab. Zwar lässt er im Opener „Her And The Sea“ erst einmal erhaben die Sonne aufgehen, verwandelt sie jedoch anschließend in „Broken Homes“ mit seinen Rückwärtsvocals, die an Beschwörungsformeln oder Mönchsgesang erinnern, und einer eigenwilligen Bassfigur in einen alles verbrennenden, bedrohlichen Stern. Später in „Borrowed Time“ zündet er ein kleines Bitcrusher-Feuerwerk, wie man es schon lange nicht mehr gehört hat.

Die gesamte Produktion ist duchaus als „sehr dicht mit Hang zum Bombast“ zu bezeichnen, was aber nicht allzu negativ verstanden werden sollte. In seinen besten Momenten wären „A Long Way To Fall“s Tracks eine Zierde für jedes eklektizistische Set von James Holden oder Nathan Fake und man ist geneigt, sich in ihnen zu verlieren. Leider gelingt es Schnauss aber auf Dauer nicht immer, die Spannung aufrecht zu erhalten und die Aufmerksamkeit des Hörers zu fesseln. In den schlimmeren Momenten spielt er sich dann selbst in eine Ecke, die nichtssagendem Eso-Kitsch („Like A Ghost In Your Own Life“, „A Ritual In Time And Death“) gefährlich nahe kommt.

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