BinoculersThere Is Not Enough Space In The Dark
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Referenzen:
Nick Drake, Iron & Wine, Fenster, Sparklehorse, The Unthanks, Bowerbirds
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Autor: |
Sebastian Schreck |
„Danke, die Kanne mit grünem Tee ist für mich.“
„Und ich nehme die Rhabarberschorle, danke.“
„Sag mal, was machst du da? Guckst verschwörerisch durch die Gegend und zückst dann … einen Flachmann! Alter, wie bist du denn drauf?“
„Was denn, was denn! Einen Schuss kann so ein Hipstergetränk doch dicke vertragen!“
„Pff, du läufst doch bestimmt auch mit Alditüten durch die Nachbarschaft …“
„Ja, und? Besser als dein komischer Jutebeutel! Was steht denn da drauf? ‚Ich bin nicht Joachim Franz Büchner‘? Das kann ja jeder behaupten!“
„Hehe. Fast jeder. Aber echt, denkst du, deine Flachmännigkeit würde hier in diesem Café jemanden stören? Hier arbeiten doch nur Kunststudenten. Der Name des Cafés wechselt aller paar Monate und schau mal die Wand an: Abstrakte Bilder und lauter Muster überall. Über deinen Anflug an Prolligkeit würde doch nur milde gelächelt werden …“
„Na ja, vielleicht. Aber sicher ist sicher. Und mit ein bisschen Schnaps schmeckt die Rhabarberschorle gleich noch viel besser …“
„Wenn du meinst …“
„Hm. Was läuft hier eigentlich für Mucke? Dudelt ja ganz schön, zartes Frauenstimmchen, Akkustische, etwas Geklimper, etwas Gezirpe … bestimmt Carla Bruni oder so Krams …“
„Dafür, dass es dir zu gefallen scheint, bist du ganz schön grob! Na ja, die Bruni läuft hier häufiger, das stimmt. Stört halt keinen, und singende Models und Präsidentengattinnen, das interessiert doch die Leute!“
„Ex-Präsidentengattinnen.“
„Ach Gott, ja. Na ja. Das ist jedenfalls Binoculers. Mit E und nicht mit A.“
„Haha. Entweder hat da wer zu wenig gedacht oder zu viel.“
„Ja. Wahrscheinlich zu viel. Und zu viel Denken, das haben wir doch gern.“
„Geht so.“
„Ach, du! Nadja Rüdebusch heißt die Frau hinter dem zarten Stimmchen. Sie lebt in Hamburg und die Platte heißt ‚There Is Not Enough Space In The Dark‘. Erscheint die Tage.“
„Komischer Titel. Kann ja alles und nichts heißen.“
„Yap. Da musst du wohl selbst einen Sinn finden. Und das haben wir doch gern, oder?“
„Na ja. Wenn’s so nett klingt, dann schon.“
„Ach, komm! Das klingt nicht nur nett! Hier zum Beispiel, wie sich der Song gerade steigert, ein Schlagzeug sich zum Pianorhythmus gesellt, und dann diese Bläser! Das ist ein guter Song!“
„Ja, schon. Du klingst so, als ob dir die Platte am Herzen liegen würde. Du weißt doch bestimmt auch, wie der Song heißt?“
„Ja, klar. ‚Bricks/Walls‘.“
„Du Nerd!“
„Ach, du! Ich hab sie schon mal live gesehen und kenne ihren Promoter. Eine verhuschte Person, die Binoculers. Nicht der Promoter. Der schreibt mir aber immerhin Postkarten.“
„Oh, ein anachronistisches Promotionsgimmick!“
„Ja, das haben wir doch gern. Und nicht nur das: Das Album erscheint nicht nur als LP plus Download und als CD, sondern auch als Kassette mit einem Zusatzsong drauf. Auf dem Label ‚romani ite domum‘.“
„Haha. Heißt das nicht ‚romanes eunt domus‘?“
„Du Scherzkeks! Aber abseitige technische Sperenzien aus längst vergangen Zeiten, das …“
„… haben wir doch gern?“
„Du sagst es!“
„Alter, du hörst dich langsam selbst wie ein Promoter an!“
„Und du, Alter, hörst dich langsam betrunken an!“
„Was denn?“
„Aber nüchtern würde dir Binoculers auch gefallen. Schön warmherzig und verspielt, schön verträumt und verzaubert. Hier, der Song, diese Folk-Miniatur über das Nicht-Sprechen, die heißt ‚Beat‘.“
„Verrückt!“
„Zyniker! Sowas ist komplex, Mann! Und Komplexität, die haben wir doch gern.“
„Na ja, gegen Geklimper hab ich ja nichts.“
„Siehste! Und bitte bedenke, dass die Texte nicht nur so vage melancholisches Liebesgeschwafel beinhalten, sondern weit vielfältiger sind: über das Haus der Großmutter, in dem sie sich zu Hause fühlen will und wo die Zeit stehen bleibt. Die Emotionalität sozial-familiärer Einbindung, das haben wir doch gern!“
„Theoretisch, ja. Praktisch: Geht so.“
„Und über Monster singt sie. Dass sie zu Kindern gehören. Das nennt man Dialektik, der Herr!“
„Ach, und die haben wir bestimmt gern!“
„Auf jeden Fall. Und wer hätte das gedacht? Unter der gefälligen Oberfläche verbergen sich dialektische Abgründe.“
„Ja, nicht schlecht. Wollen wir uns noch was bestellen? Ich hab noch Schnaps über.“
„Und den hast du gern?“
„Ja, auch. Und die Binoculers-Platte. Und jetzt, wo ich alles über ‚There Is Not Enough … äh …“
„Space In The Dark’“
„… weiß, können wir ja bei der nächsten Rhabarberschorle mit Schuss schweigen, hören und seufzen. Ich werde nämlich langsam emotional.“
„Ach, Gott. Ja, wenn du meinst …“
„Willst du diesmal auch etwas Schnaps?“
„Hehe. Nein, danke. Ich mag die Platte auch nüchtern.“
„Na denn: Prost!“
Label: Insular
Referenzen: Nick Drake, Iron & Wine, Fenster, Sparklehorse, The Unthanks, Bowerbirds
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VÖ: 02.11.2012