Die umtriebigen Texaner von …And You Will Know Us By The Trail Of Dead beackerten in den letzten Jahren das weite Feld der Rockmusik wie kaum eine zweite Band. Ausgehend von pulsierendem Posthardcore und symphonischem Indierock landeten sie über verschlungene Pfade zuletzt bei verspultem Prog. Nun führt der Weg zurück zu den Wurzeln: „Lost Songs“ ist entgegen dem Titel keine obskure Raritätensammlung, sondern – völlig au contraire – eine selbstständige Platte, die zum ruppigen Sound der Anfangstage zurückfindet.

…And You Will Know Us By The Trail Of Dead waren immer ein wenig wie Ansgar Brinkmann, sie wechselten ständig die Farben, blieben stets auf sympathische Weise unberechenbar, konnten und wollten sich jedoch nie so richtig an etwas fest binden. Der einzige Unterschied ist wohl, dass dem „Weißen Brasilianer“ der große Erfolgt verwehrt blieb. Die Texaner hingegen komponierten mit „Source Tags & Codes“ und „Worlds Apart“ mindestens zwei Meisterwerke, die in unterschiedliche Richtungen dachten. Mit „Lost Songs“ folgt nun die große Rückbesinnung.

Die Platte beginnt – und das ist schon eine Novität – ohne überdramatisches Intro, „Open Doors“ startet direkt mit Remmidemmi, Tränen sammeln sich in den Augenwinkeln, aber sicher nicht vor falscher Rührung. Eine dunkle Keyboardfläche legt zunächst falsche Spuren, danach beginnen Conrad Keely, Jason Reece und ihre beiden aktuellen Zeitarbeiter Jamie Miller und Autry Fulbright II mit dem Gebolze. Den ersten wahren Höhepunkt erreicht das nunmehr achte Album der Texaner mit dem herrlichen „Pinhole Cameras“, das Wucht mit Euphorie kreuzt und – jetzt kommt’s – alles in den Schatten stellt, was im Kosmos der Band seit „Worlds Apart“ passiert ist.

Unter die üblichen, wuchtigen Riffabfahrten wie „Flower Card Games“ oder das sensationelle „Catatonic“ mischen Keely, Reece und Co. einmal mehr schwungvollen Gitarrenpop, beispielsweise in Form des unwiderstehlichen „Time And Again“. Auch der Titelsong überzeugt mit feierlicher Lässigkeit: Die Tatsache, dass die Aufnahmen im sonst als verschlafen geltenden Hannover stattfanden, hatte offensichtlich keinen negativen Effekt auf die Songs. Mit dem Bonus-Track „Verschollene Songs“ entstand dort sogar das erste deutschsprachige Stück der Band.

Die texanische Noise- und Indie-Rock-Institution festigt mit „Lost Songs“ ihre Stellung als unberechenbare Variable, die immer wieder neue Wege und Mittel findet zu überraschen. Nach dem eher schmalbrüstigen Übergangsalbum „The Century Of Self“ und dem monumentalen Irrsinn von „Tao Of The Dead“ finden sie zurück in die Spur, überzeugen mit der Rückbesinnung auf alte Stärken, fädeln aber auch immer wieder neue, spannende Ideen ein. Ein Ende im Kosmos dieser Band ist jedenfalls nicht in Sicht. Davor geht eher die Welt unter.

78

Label: Superball

Referenzen: Sonic Youth, Cursive, Fugazi, Motorpsycho, At The Drive-In, Seachange

Links: Homepage | Label | Facebook

VÖ: 19.10.2012

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum