Sänger von bekannten Bands haben es schwer, wenn sie auf einmal außerhalb ihrer gewohnten musikalischen Umgebung aktiv werden. Und wenn sie dann noch eine Stimme haben, mit der sie problemlos zwischen Schlager und Freejazz mäandern könnten, ohne dabei auch nur im Ansatz ihren ganz eigenen Charakter zu verlieren, ist es am Ende eigentlich ziemlich egal, was sie wie singen. So gesehen hat Ben Gibbard ein Problem, denn was immer er tut, letztlich wird es doch heißen: „Das klingt ja wie Death Cab For Cutie“. Warum also hat er sich überhaupt die Mühe gemacht, ein Soloalbum aufzunehmen?

Die Antwort scheint simpel – während andere sich am Ende eines Lebensabschnitts eine neue Frisur, ein Haustier oder ein schräges Hobby zulegen, machen andere erst einmal nur etwas ganz für sich allein. Das Ergebnis bei Gibbard ist „Former Lives“, eine Verarbeitung seiner, na klar, vergangenen Leben im Allgemeinen und – so steht es zumindest in jeder zweiten Rezension – der Ehe mit Zooey Deschanel im Besonderen.

Tatsächlich ist der objektiv hörbare Einfluss der letztgenannten Dame jedoch relativ gering: Im sehr Calexico-artigen „Something’s Rattling (Cowpoke)“ darf sie im Hintergrund mitsingen, ansonsten aber muss der geneigte Klatschspalten-Freund in den Texten nach Hinweisen suchen. Vielleicht im famosen „Bigger Than Love“, dem Duett mit Aimee Mann, das in bester gibbardscher Manier die Geschichte einer Beziehung erzählt, die am Ende eben doch scheitern musste? „Our summers in Paris / the Seine overflowing with champagne / and I knew you stepped out / but you know that I had done the same.“

Eigentlich ist es jedoch egal, über wen Gibbard singt oder auch nicht, solange er so Songs wie das gleichermaßen wunderbare wie etwas verstörende „Duncan, Where Have You Gone?“ schreibt, das im besten 80er-Jahre-Pathos daherkommt. Oder das zeitlose Country-Kleinod „Broken Yolk In Western Sky“, wie es Conor Oberst in den letzten Jahren wohl nur zu gerne mal geschrieben hätte.

Allein, manchen Titeln ist anzumerken, dass sie vermutlich irgendwann in den letzten Jahren bei der Auswahl für die jeweils aktuellen Death-Cab-Alben übrig waren. Das ist zwar nicht gleichbedeutend damit, dass „Former Lives“ auch nur einen richtigen Ausfall beinhaltet, nur macht Gibbard es sich bisweilen doch sehr leicht. Das strikte Strophe-Refrain-Strophe-Schema nutzt sich auf die Dauer ab und wo er früher nur mit Akustikgitarre und seiner Stimme Mädchen- und Jungs-Herzen zum Hüpfen brachte, als sei es das Einfachste auf der Welt, fehlt hier bisweilen schlicht das gewisse Etwas („Lily“, „I’m Building A Fire“).

So steht am Ende ein Album, das aus einem Dutzend recht schönen und manchmal gar äußerst hübschen Popsongs besteht, dem die auf Anhieb mitreißenden Hymnen und tanzbaren Indiehits jedoch fehlen. Aber immerhin kann so auch niemand sagen, dass es zu sehr nach Death Cab For Cutie klingt.

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Label: City Slang

Referenzen: Death Cab For Cutie, Aimee Mann, Conor Oberst, Calexico, Teenage Fanclub

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VÖ: 19.10.2012

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