Größer, dichter, lauter – irgendwo findet jede Expansion ihre Grenzen. Wer glaubte, Titus Andronicus könnten das Mammutalbum „The Monitor“ nicht mehr toppen, darf sich zumindest in dieser Hinsicht bestätigt sehen: Der Nachfolger „Local Business“ ist sauberer, bescheidener, heterogener geworden.

Wie eine neue Band wirken die New Jerseyer nicht, zu altvertraut die kultur- und selbstreferentiellen Titel („Upon Viewing Oregon’s Landscape With The Flood Of Detritus“ zu „[…] Brueghel’s Landscape With The Fall Of Icarus“), die Singalongs und Streicher ihres angepunkten, angepogues-ten Kneipenrock. Dennoch reflektiert der trockenere, weniger opulente Sound mehr denn je die personelle Instabilität dieser Band, deren einzige Konstanten Frontmann Patrick Stickles und Drummer Eric Harm sind. Nach dem Weggang von Amy Klein übernahm diesmal kein Geringerer als Owen Pallett die Streicher-Arrangements, durch das Ausscheiden des Keyboarders findet sich weniger Piano auf „Local Business“. Vor allem aber wollten Stickles & Co. ein Album machen, das ihre Livebesetzung annähernd reflektiert, statt massiver Overdubs vieler Einzelparts wurde der Großteil der Musik von der gesamten Band live eingespielt – was beispielsweise auch bedeutet, dass die Gruppengesänge von gefühlten Dutzenden zu zwei, drei Begleitstimmen reduziert wurden.

So wirken vertraute Routinen wie das flotte „Upon Viewing …“ oder das hymnisch anschwellende „In A Big City“ anders eingekleidet, die Mehr-als-Acht-Minüter eher songstrukturell als sonisch komplex und mit dem ungewohnt folkrockigen „(I Am The) Electric Man“ werden gänzlich neue Wege beschritten. Zwar gibt es Stellen, an denen ein Songübergang musikalisch oder thematisch flüssig wie von Anfang an geplant erscheint, insgesamt ist „Local Business“ jedoch deutlich heterogener als „The Monitor“. Textlich zeigt sich Stickles geradezu konfrontativ explizit, nicht nur wenn er seine langjährige selektive Essstörung herausschreit: „My eating disorder is inside me“ wird ebenso intensiv oft wiederholt wie daraufhin „Spit it out!“-Rufe, die jedoch gleichzeitig im Andronicus-typischen Gruppengesang gekleidet sind – ein Anti-Singalong-Singalong? Oder doch eher Ausdruck einer Widerstandshaltung, die jedes noch so bittere Hindernis zu überwinden sucht? In jedem Fall ist dies ein Album, das ein gespaltenes Meinungsbild hervorruft.

Die ersten drei Songs laufen noch wie geschmiert, ganz so, als seien sie in einem Rutsch mit „The Monitor“ aufgenommen worden. Doch die Maschinerie gerät danach abrupt ins Stocken. Die Leichtigkeit weicht der Last, anders als je zuvor klingen zu wollen – im Ergebnis wirkt das entsprechend angestrengt und überzogen cool. Zudem verzichten Titus Andronicus auf die ganz großen Gesten, was dem Album zwar einen gewissen entrückenden Charme verleiht, es hier und da aber zahnlos dastehen lässt. Insgesamt ist „Local Business“ keinesfalls schlecht – nur unvollendet. (Felix Lammert-Siepmann)

Auf die große Erzählung folgt die bunte Anthologie. Mit dem Risiko, dass die Mischung nicht allen mundet, wenn innere Dynamik statt äußerer Kohärenz die Stücke prägt. Doch bis auf das langatmige Finale gelingen Titus Andronicus selbst ihre bislang tollkühnsten Wendungen innerhalb von („My Eating Disorder“ ) und zwischen (die daran gekoppelten „Food Fight“ und „Titus Andronicus vs …“) Songs – nicht zuletzt dank der herrlich rausgearbeiteten Geigen. Wer hätte gedacht, dass diese glorreich schludrige Band sich mal für Details rühmen könnte. (Uli Eulenbruch)

Ein bisschen geht es mir wie mit dem letzten Album von The Hold Steady: Da ist vor allem die Hoffnung, dass „Local Business“ irgendwann mal als Übergangswerk durchgeht, das etwas unsicher einen neuen Pfad betritt und dabei (noch) die letzte Konsequenz vermissen lässt. Nach dem aufregenden Debüt und dem herausragend reifen „The Monitor“ ist bei Titus Andronicus trotz ergreifender Auseinandersetzung von Stickles mit Stickles dieses Mal nur eine gute Platte herausgekommen. (Pascal Weiß)

Label: XL

Referenzen: Tom Petty, Japandroids, The Hold Steady, The Pogues, Arcade Fire, Bruce Springsteen, Ted Leo

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VÖ: 23.10.2012

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