Als Godspeed You! Black Emperor sich vor zwei Jahren wieder zusammen fanden, ging man gemeinhin davon aus, dass diese Reunion einzig und allein für Konzerte eingefädelt wurde. Ganz so eben, wie es inzwischen viele große Bands machen, von den Pixies bis zu My Bloody Valentine. Zu groß war die Aufregung, um nach noch mehr, nämlich einem neuen Album, zu verlangen. Zumal sogar Gründungsmitglied Mike Moya wieder mit an Bord war. Die Konstellation Mike Moya und Efrim Menuck war schon immer eine ganz besondere, gegensätzlicher können Menschen und Musiker kaum sein. Hier der verschlossene Perfektionist, da der selbstbewusste Dogmatiker. Die Tour wurde ein voller Erfolg und Anfang Oktober wurde zur allgemeinen Überraschung die Fertigstellung eines neuen Albums bekannt gegeben.

„’Allelujah! Don’t Bend! Ascend!“ verfolgt ein auf den ersten Blick merkwürdiges Konzept. Die beiden Schlüsselstücke „Mladic“ und „We Drift Like Worried Fire“ gehören unter andern Namen („Albanian“ und „Gamelan“) seit Längerem zum Live-Repertoire des kanadischen Kollektivs, die beiden anderen, wesentlich kürzeren Songs werden von Drone und Ambient dominiert und erfüllen eher die Aufgabe von Intro oder Outro. Hier schlägt der als „Hope Drone“ bekannt gewordene Opener der Live-Shows voll durch. Ein weiteres Kuriosum: Während auf der CD-Version jeweils ein solcher Song einem Schlüsselstück folgt, werden die verschiedenen Formate auf Vinyl vollends voneinander auf eine 12-inch und eine 7-inch getrennt.

Doch wer angesichts dieser Kennzahlen meint, Godspeed You! Black Emperor würden auf ihrem nun insgesamt vierten Studioalbum nichts Neues anbieten können, irrt gewaltig. Denn natürlich wurden „Mladic“ und „We Drift Like Worried Fire“ einer nicht zu überhörenden Generalüberholung unterzogen. Viel wichtiger ist aber, dass sie durch das Album gebändigt und in die für die Band so typische spannungsgeladene Atmosphäre integriert wurden. Wie schon die beiden letzten Alben erklingen in „’Allelujah! Don’t Bend! Ascend!“ ununterbrochen wechselnde extreme Landschaften, Naturgewalten und Gefühlswelten. Selten lagen Himmel und Hölle, Glück und Verzweiflung, Aufbruch und Resignation so nah beisammen wie im neuen „Mladic“. Die nicht zu überhörenden Anleihen aus dem Osten, die sicherlich auch in vielerlei Hinsicht politisch interpretiert werden können, geben dem Opener darüber hinaus noch einmal eine weitere unerwartete Wendung. Nach diesen wohltuend chaotischen ersten 20 Minuten ergibt auch die folgende Zwischenkomposition „Their Helicopters‘ Sing“ Sinn, die diametral zu jener Unberechenbarkeit steht. Auf einem weichen Bett ertönt auf immerhin sechs Minuten ein monotoner, doch zuverlässiger Leierkastenmann, der die erste Hälfte des Albums fast im Alleingang zu Ende bringt.

Betrachtet man jeweils einen Schlüsselsong und die folgende Zwischenkomposition als Paar, so steht die in etwa gleich lange zweite Hälfte des Albums der ersten in nichts nach. Wie in „Mladic“ hauen die Leute um Moya und Menuk in „We Drift Like Worried Fire“ mit großer Finesse und einem noch größeren Fundus an Instrumenten ihr gesamtes Können raus. Wieder begeben sie sich auf eine Achterbahnfahrt, die sich jedoch diesmal ganz im Gegensatz zum deprimierenden Songtitel fast ausschließlich in euphorischen Sphären bewegt. Anknüpfend an „Lift Your Skinny Fists Like Antennas To Heaven“, dem letzten ganz großen Wurf der Band, ist auch hier das stetige Herantasten an einen Höhepunkt von Beginn an greifbar und lässt die ungeduldige Vorfreude auf den Ausbruch gleichsam sichtbar werden. Eine kleine Sternstunden des Post-Rock und seit Monos „Ashes In The Snow“ nach Jahren endlich mal wieder ein Song aus dem diesem Genre, der keine Wünsche offen lässt.

Alleine schon weil die Songs etliche Jahre alt sind, konnte man von Anfang an nicht von großen Überraschungen ausgehen. Doch wie die Band es vollbracht hat, die alten Skizzen in wiederum ein einzigartiges neues Universum zu verpacken, das ist das Verzaubernde an „’Allelujah! Don’t Bend! Ascend!“.

83

Label: Constellation

Referenzen: Dirty Three, Yndi Halda, Set Fire To Flames, Gregor Samsa, Mono, Swans, Slint

Links: Homepage | Label

VÖ: 19.10.2012

2 Kommentare zu “Godspeed You! Black Emperor – ‚Allelujah! Don’t Bend! Ascend!”

  1. GY!BE Forever sagt:

    9,3 bei Pitchfork :))))))))))

  2. Dort gab’s den Chefredakteursbonus.

    War erst was skeptisch, weil mich die Stücke damals nicht so vom Hocker gehauen hatten, aber im Album funktionieren die wirklich sehr toll. Mladic überzeugt mich immer noch nicht 100 pro, ist aber eine gute Einführung für die (besser denn je) dronigeren Sachen und das 20-Minüter-Herzstück. Ist auch wohl das erste Mal, dass die Studioaufnahmen mindestens genau so gut sind wie die Stücke live.

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