CalexicoAlgiers
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Referenzen:
Iron And Wine, Wilco, Lambchop, Ennio Morricone, Portishead
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Autor: |
Sebastian Schreck |
Was war noch mal die Quintessenz von Calexico? Folk-Rock, Country, Americana vielleicht, aber alles vom Wüstensand in und um Tucson in Arizona umweht, wo von der Grenze zu Mexiko her Mariachi-Klänge und die Verzweiflung über Wohlstandsgefälle und eine restriktive amerikanische Grenzpolitik herüber hallen. Da, wo Melancholie Sehnsucht wie Coolness gebiert.
Und Songs. Vielleicht sind es einfach die Songs, die versunkenen Walzer, die schwarzen Herzen, die die Band nie aus den Augen verliert. Oder die Band beziehungsweise der Bandkern macht die Band aus, so dummdreist tautologisch das auch klingen mag? Joey Burns‘ Stimme, gewöhnlich im Speziellen, speziell im Gewöhnlichen, sehnsüchtig wie verhuscht, wie gemacht für Autofahrten durch trockene Wüstenlandschaften, beziehungsweise: Idiosynkrasien, hinter vergilbten Gardinen verborgen. Und John Convertinos fragmentarisches Schlagzeugspiel, zielgerichtet aber unvorhersehbar, einfach im Komplizierten, kompliziert im Einfachen. Und vor allem eins: songorientiert. Also sind wir wieder beim Song gelandet. Und bei der Wertschätzung, die sich Calexico seit ihrer Entstehung aus Giant Sand heraus in den 90ern verdient hat und die evident durch diese Zeilen durchschimmert.
„Algiers“ ist ihr siebtes Album, aufgenommen in eben jenem Viertel in New Orleans, um die Routine ihrer Heimat zu durchbrechen und die soziokulturellen wie musikalischen Einflüsse der Südstaaten-Metropole auf sich wirken zu lassen und Songs entstehen zu lassen, die in ihrem trockenen wie bittersüßen Tonfall gut genug sind, um nach Calexico zu klingen. „Algiers“ ist abgerundet, detailliert und versiert ohne Ende, wie es auch niemand anders erwarten hätte können, handelt es sich doch schließlich um Calexico. Das beginnt bei „Epic“ und seiner pointierten Rockgitarre, die die flotte Prosaik des Songs auf den Punkt bringt. „Splitter“ erfüllt die Funktion des Up-Tempo-Stücks an zweiter Stelle und lässt Trompeten brill- wie trillieren. Vor Konventionalismen sind Calexico nicht gefeit, aber solange sie Kontexte schaffen und bereichern, Stil und Seele ihrer Musik dienen, brauchen sie das ja auch nicht. So entstehen Songs wie das saucoole „Maybe On Monday“, bei dem es ausreicht, die erste Zeile zu zitieren, um den Song zu charakterisieren: „Woke up on monday/ wrote you a love song.“ Cool lässt sich Goodbye zur Liebe sagen. Ein Stück wie „Sinner In The Sea“ verlagert die Sünde auf die abrupt donnernde Orgel, ehe der Song fast ins Progressive abdriftet (weiteres Beispiel für ein bisschen viel Gerocke: „Puerto“, aber nur am Ende des Refrains). Der Rest beinhaltet glücklicherweise die Calexico-eigene Zurückhaltung, im schwelgerischen Abschluss „The Vanishing Mind“, im mexikanischen Folk von „No Te Vayas“ (zusammen mit Jairo Zavala), im ruhigen „Better And Better“, im galanten Instrumental „Algiers“.
Manche mögen ihr Repertoire in die Breite ziehen und in die Größe. Manche wechseln ihre Stile. Manche machen das, was sie können und arbeiten daran: an Verfeinerung und Optimierung. Es war schon immer Calexicos Stärke, multikulturelle Einflüsse einzubinden, nicht als verspielter Spleen oder gar aus Geltungssucht, sondern mit Würde und Verwurzelung. Dazu die Wüste, die Coolness, der Folk, Calexicos Seele und Können, ihre Zurückhaltung und Vielfalt, ihre Beschränkung und Stilistik. Ihre Songs. Die Quintessenz: „Algiers“ ist so nah dran an Calexico, wie Calexico es nur sein können.
Label: City Slang
Referenzen: Iron And Wine, Wilco, Lambchop, Ennio Morricone, Portishead
VÖ: 07.09.2012