Title FightFloral Green

Es ist ein unvermeidliches Phänomens des Alterns, dass man, egal wie sehr sich die eigenen Hörgewohnheiten auch entwickeln, irgendwann bei einem neuen Musikstück ein Deja-Entendu-Erlebnis hat. In seinem heiser besungenen Gitarrenaufheulen klingt zum Beispiel der Song „Sympathy“ einfach wie etwas, das Hot Water Music um die Jahrhundertwende einmal ziemlich genau so eingespielt haben müssen.

Es ist nicht das einzige Mal, dass Title Fights zweites Album den Sound einer anderen Zeit heraufbeschwört, der raustimmige Post-Hardcore à la HWM oder Jawbreaker auf „Floral Green“ wirkt wie aus den 90ern ins Heute zeittransferiert. Sieht man die Videos des amerikanischen Quartetts obendrein noch in antiquierter Analog-Ästhetik daherkommen, drängt sich glatt die Vermutung auf, hier könne so etwas wie der Chillwave des Post-Hardcore, ein verklärt-nostalgisches Zurückblicken in eine selbst kaum miterlebte (die Bandmitglieder sind Anfang zwanzig) Zeit vorliegen.

„Floral Green“ mag revivalistisch im Sound sein, doch nicht nostalgisch in seiner Attitüde. Nicht zuletzt über ihre emotionalen Texte vermittelt diese Musik einen Eindruck ungeschönter Rohheit, in der auch die eigene Vergangenheit nicht als die bessere Zeit in Erinnerung behalten wird. Spätestens beim zweiten Song „Leaf“ wird klar, dass diese Texte nicht bloß emotional, sondern emo as fuck sind, ohne post-millenniale ironische Distanz: „I feel lost, I feel boring. […] I feel scared of knowing. I’m just a single leaf in the wind blowing.“ Anders als La Dispute, die die Auswirkung sozioökonomischer Umwälzungen aufs Individuum porträtierten, ist bei Title Fight das Persönliche persönlich und wenig mehr. Selbst ein Flug über tausende Meilen Distanz endet in einem „I’ll never forget what all these feelings meant.“

Trotz mehrerer unterschiedlicher Songwriter und Vokalisten erscheint „Floral Green“ kohärent, setzt Gefühlsaufnahmen von in Apathie, Orientierungs- und Ziellosigkeit erstickenden Fuckups zu Musik, die alles andere als apathisch ist. Title Fight klöppeln sich zwar nicht mehr rasant durch skatepunkige Sub-Zweiminüter, die noch auf dem Vorgänger „Shed“ ihre Stärke waren, das müssen sie aber auch nicht, sind sie doch deutlich sicherer im Langformat geworden.

Ein paar nicht ganz ausgeformte Stücke können das Gesamtbild nur leicht schwächen, dynamisch abwechslungsreich navigiert „Floral Green“ punkiges Post-Hardcore-Terrain zwischen geradlinig-wuchtigen Midtempo-Rockern und verhallten Sphären, mal hymnisch, mal elegisch und nach „Head In The Ceiling Fan“s Ruhemoment in der Albummitte geradezu morbide: „And all the things that make you cry, remembering you’ll watch your parents die […] There’s things I’m avoiding now: dreams about all of my teeth falling out […] And the clock keeps spinning around“. Der Name des Songs? „Make You Cry“. Sowas soll sich ein Chillwaver erst mal trauen.

78

Label: Side One Dummy

Referenzen: Hot Water Music, Jawbreaker, Alkaline Trio, Envy, Lifetime, Brand New, La Dispute, Sunny Day Real Estate

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VÖ: 21.09.2012

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