The xxCoexist

Irgendwo zwischen Eiseskälte und feuchtwarmer Intimität trafen The xx mit ihren Hymnen 2009 einen recht sensiblen Nerv. Ihr von manchen anfangs unterschätztes Debüt „xx“ war eine scheue, wortkarge und reduzierte Platte, die leise und bedacht Liebesgeschichten erzählte, meist aber eher vom Scheitern berichtete.

Dazu trugen die damals noch vier jungen BritInnen konsequent schwarz, entwickelten einen Stil, der freilich nicht als Gothpop missverstanden sein sollte, aber durchaus mit der düsteren Optik sympathisierte. Ein weißes Kreuz auf schwarzer Fläche – so sah die Bundesflagge von all jenen aus, die gebrochenen Herzens durch die nächtlichen Straßen tingelten und mit gesenktem Blick „Heart Skipped A Beat“ in den Ohren hatten.

Am Sound des Nachfolgers haben die zum Trio geschrumpften – Jamie xx, Oliver Sims und Romy Madley Croft – wenig geschraubt. Nach wie vor werkeln sie an ihrer Vision nachtschwarzen Indiepops, der herrlich einlullt und völlig unaufgeregt mit den elektronischen Sperenzchen von Mastermind Jamie xx flirtet. Der erste Single-Vorgeschmack auf „Coexist“ hätte nicht stärker ausfallen können: „Angels“ ist in seiner Klarheit atemberaubend schön, die sanfte Stimme Crofts steht im Raum, wird von zaghaften Beats begleitet, wiederholt immer wieder eindringlich „Being as in love with you as I am“ und ist dabei ganz nah am Hörer. Kein Zweifel: Man muss sich auf diesen Sound einlassen, der einerseits distanziert wirkt, andererseits aber Nähe schafft. Dafür sorgen die beiden Stimmen, die sich gegenseitig zu verführen versuchen, wie auch die sensiblen aber durchaus poetischen Texte.

Ein Stück wie das rührselige „Fiction“ hätte auch dem durch und durch grandiosen Debüt gut zu Gesicht gestanden. Der Song handelt von Unsicherheit, Sehnsucht und Zärtlichkeit, The xx sind mittlerweile Meister dieses Fachs: „Fiction, when we’re not together / Mistaken for a vision, something of my own creation“. Und am nächsten Morgen sucht man den Spiegel nach Lippenstiftbotschaften ab. Das folgende „Reunion“ überzeugt mit Steel Drum, klingt aber trotzdem nicht nach Karibik, sondern eher nach Nabelschau und Rotwein. Darunter pumpt dann ein sachter Beat, völlig unaufdringlich, mehr Herzschlag als Disko.

Besonders hübsch ist das zentrale „Sunset“, in dem ein Zustand beschrieben wird, den wohl jeder kennt: Entfremdung. Das Kribbeln im Bauch lässt nach, die kleinen Fehler, die man zu Beginn noch gerne hingenommen hat, gewinnen an Gewicht. Irgendwann platzt die Seifenblase und mit ihr die Illusion vom ewigen Glück: „I always thought it was sad / The way we act like strangers / After all that we had / We act like we had never met.” Die Songs in der zweiten Albumhälfte sind etwas scheuer, weniger auffällig, oft steht ein Beat im Mittelpunkt, um den herum die zwei Stimmen von Croft und Sims Schattenspiele veranstalten. Und eigentlich sind es immer die gleichen Figuren und immer die selben Szenarien, doch sie treffen stets ins Schwarze. Solange es Amor gibt, braucht die Welt solche Lieder. Als bitter nötiges Gegengift.

76

Label: Young Turks / XL / Beggars

Referenzen: Young Marble Giants, Mazzy Star, Beach House, The Cure, Slowdive

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VÖ: 07.09.2012

Ein Kommentar zu “The xx – Coexist”

  1. […] Pop von jj oder Beach House, Verästelungen zu Chillwave von Tycho, zur reduzierten Ästhetik von The xx oder auch zum modernen Soul von James Blake – jedoch zu 70% totalbefreit von jeglichem […]

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