Ariel Pink's Haunted GraffitiMature Themes
Im Großen und Ganzen gab es von jeher keinen Unterschied zwischen Ariel Pink und Ariel Pink’s Haunted Graffiti. Die vermeintliche Begleitband, welche Ariel Marcus Rosenberg auf seinen Alben begleitete, bestand selten aus mehr als ihm selbst, der seine neblig-verqueren Popsongs auf kaputten Saiten und Synths über acht Tonspuren zusammenschnippelte und einen Großteil der Perkussion täuschend echt beatboxte.
„Before Today“ mag Pinks 4AD-Debüt und das erste Album gewesen sein, das er mit seiner Band in einem Studio einspielte, doch vertonte er auch dort noch jene Songs, die er schon Jahre zuvor im stillen Kämmerlein solo komponiert hatte. Auf „Mature Themes“ steht der „Haunted Graffti“-Anhängsel erstmals auch dafür, dass Ariel Pinks Songs in kreativer Zusammenarbeit mit seinen Mitspielern entstanden – unter anderem das finale Coverstück, dessen Original Bassist Tim Koh 2008 auf seinem Blog durch den Freundeskreis reichte. „Baby“ ist tatsächlich das, wonach sich Pinks Schöpfungen immer anhörten – obskure, vielleicht auch abgenutzte und entsorgte Goldstücke 60er- und 70er-Gitarrenpops – und in dieser Neuaufführung erwartungsgemäß auch ein Albumhighlight.
Doch was serviert Ariel Pink an Eigenkreationen? Nun, Schnitzel – oder genauer, in penetrantem Falsettjaulen: „Schnitzeeeeeel! Schnitzeeeeeeel!“ Wie vergnüglicher Nonsens beginnt „Schnitzel Boogie“, wenn Pink mit knödelig gezerrter Stimme seine einseitige Morgendiät aus Panierfleisch beschreibt (und einen Bestelldialog mit einer Imbissbeschäftigten imitiert). Was einen OK-en Plemplem-Skit hätte abgeben können, zieht sich jedoch über mehr als vier Minuten ins Unerträgliche und bildet zusammen mit der mehr schlampig als chaotisch arrangierten PiL-Postpunk-Luftnummer „Early Birds Of Babylon“ und dem laffen Western „Driftwood“ das trüb-verknarzte Albumzentrum. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Pink’sches Werk eine seltsame Mitte hat. Während der 11-Minüter „The Ballad Of Bobby Pyn“ jedoch auf „The Doldrums“ gemilderte Zwischenmomente zuließ, gibt es hier kein Entkommen vor der Weirdo-Offensive aus Trololo-Vocals und monochromem Musiktrott.
Die bietet dafür das Titelstück: „Mature Themes“ wartet mit einem sanft-denkwürdigen Mehrstimm-Refrain über Akustik-Jangle, flötendem Keyboard und unironischen „Aaaaah“-Chören auf, im folgenden „Only In My Dreams“ kann man die goldigen Melodieläufe kaum an einer Hand abzählen. Doch während Ariel Pink, ideal seine Stärke mit solchen Hooks komplementierend, mitreißend sein kann als Weirdo, der obsessiv die aurale Wunderwirkung alter Popaufnahmen reproduziert, scheint „Mature Themes“ mehr aufs Imitieren anderer Weirdos fixiert zu sein: Hier ein bisschen Zappa, da ein wenig Ween, natürlich ein gutes Stück sein Idol und Kollaborateur R. Stevie Moore, allerdings mangelnd an Charme und Hintersinn und ohne ihnen das musikalische Wasser reichen zu können.
Wenn man nun nicht zu den Menschen gehört, die „I don’t mean to burn any bridges, but I can’t get enough of those bitches. I’m just a rock n roller from Beverly Hills“ zum Totlachen findet, verliert man schnell die Lust daran, sich mehrfach durch „Symphony Of The Nymph“ zu hören. Fraglos haben Pinks Texte schon immer Fragwürdiges hervorgebracht, Raffiniertheit ist das Letzte, woran er dort interessiert ist („Because that’s the way to preserve the realness of the lyrics, if I don’t think about them very much.“) Doch wo sie in ihrer Unverständlichkeit und innerhalb besserer Songs auch nur wie Nebensächlichkeiten wirkten, erscheint nun Infantiles wie „Shooting sperm into your spine“ und „Bring on the bogan shemales hopped up on meth“ in einer Klarheit, die ja doch impliziert, dass man sie wahrnehmen können soll.
Dass Pink so freudlos darum bemüht wirkt, wie ein provokant-amüsanter Weirdo rüberzukommen, lässt nicht nur seine obszöneren Texte billig (und gerade in Verbindung mit seinen in Interviews bekundeten „Theorien“ zu Sexualität und Gender bescheuert) wirken, die Bemühtheit beraubt auch den schrägen Humor seines (nicht allzu hohen) Potentials. Anstatt eines ungewöhnlichen Popgenies findet sich auf „Mature Themes“ – welchen Anteil auch immer seine Band daran gehabt hat – enttäuschenderweise nur ein ordinärer Freak.
Label: 4AD
Referenzen: R. Stevie Moore, Frank Zappa, Ween, Bobby Conn, John Maus
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VÖ: 17.08.2012
theorien über geschlechter? warum die quotemarks? natürlich möchte er provozieren, aber inhaltlich ist alles was er sagt biologisch absolut richtig.
Gender ist 100% biologisch, weil er das halt so im Gefühl hat? Alle unter-27-jährigen Frauen sind bisexuell? Also bitte. So sehr ich den Mann als Songwriter schätze, als Soziologe und Biologe ist er nicht ernst zu nehmen.
lol. „weil er das so im Gefühl hat“. Geschlecht ist ein biologischer Begriff. Hat nichts mit Soziologie zu tuen. Natürlich hat das Geschlecht einen Einfluss auf soziologische aspekte wie Rollenmodelle usw, aber das ändert nichts daran, dass ein Geschlecht biologisch determiniert ist.
die aussage über bisexuelle 27jährige ist polemisch zu verstehen. richtet sich an menschen wie dich, die den begriff „liberal“ falsch verstehen. natürlich liegt mehr in geschlechtern als chromosomen und dna, aber sobald man ideologie vor wissenschaft stellt, wirds nutzlos. bleib empört :o
Nun, dass es hier nicht bloß um das biologische Geschlecht geht, geht doch aus der Frage hervor, ob Gender ein (soziales ist hier gemeint) Konstrukt ist – warum sonst fragen? Auf Wikipedia oder so findest du sicher einen groben Umriss zum Themenkomplex. Daher weiß ich zum Beispiel auch, dass es so einige valide Bedeutungen des Begriffes „liberal“ gibt.
Aber auf meine Meinung zum Album hatte sein lahmes Getrolle in den Interviews auch gar keinen Einfluss, wie findest du die Platte denn?
„monochromer Musiktrott“ ist eine sehr schöne beschreibung. 3/10, wouldnt listen again :D
Wow…..Leute: OHREN WASCHEN! Das ist ein herausragendes Album. Eines der besten die ich dieses Jahr gehört habe.
[…] dem neuen Album „Mature Themes“ im Gepäck tourt Ariel Pink’s Haunted Graffiti in den kommenden Wochen wieder auf deutschen […]
[…] monströsen Tuba peinigen und gibt ihm nur einen kurzen, umso himmlischeren Lichtblick. Wo sich ein Ariel Pink im Zusammenführen und retromanen Rekreieren vergangener Sounds und Stilschrulligkeiten erschöpft, […]