Cooly GPlayin' Me
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Referenzen:
FAY, Dean Blunt & Inga Copeland, Laurel Halo, Rustie, Light Asylum, Goldie, Cut Hands
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Autor: |
Constantin Ruecker |
Schon 2009 handelte das FACT Magazine Cooly G als das nächste große Ding in Sachen House. Nun, drei Jahre später, erscheint endlich das Debütalbum der inzwischen 30-jährigen Merrisa Campbell auf Hyperdub. Machen wir es kurz: Es ist ein großer Wurf geworden, ein großer und eigenständiger Soundentwurf, der in diesem Jahr nicht viele Vergleiche zulässt und mit seiner zurückhaltenden Art selbst in einem breit aufgestellten Feld wie der elektronischen Musik seine Spuren hinterlassen wird.
Es ist ein stellenweise atmosphärischer, meist jedoch abstrakt-perkussiver Postdubstep mit einem hohem Vocal-Anteil, der Cooly Gs britische Herkunft verrät und eine Sozialisierung in den Tiefen des Grime vermuten lässt. Zu keinem Zeitpunkt sind die Songs jedoch aggressiv oder fordernd, sondern immer unaufdringlich und bescheiden. Damit ist Cooly G nicht nur weit entfernt von der Aufgeregtheit anderer britischer Elektroacts, sondern steht mit ihrem Sound, der sich lose zwischen Dubstep, House, Funk und R’n’B verorten lässt, auf dermaßen eigenen Beinen, dass einem fast ein bisschen Angst werden könnte. Hinzu kommt ihre satte, volle Stimme und ein feines Gespür für diffizile Brüche und Tempowechsel.
Als Gesamtwerk ist „Playin‘ Me“ durch seine warme Grundstimmung letztlich vollkommen entwaffnend. Als würde man nach Stunden der Versunkenheit das Bewusstsein wiedererlangen – auf einer Tanzfläche! – und sich seiner Umgebung nur langsam gewahr werden. Die Sinne sind vernebelt, die Wahrnehmung entrückt. Zeit und Raum haben ihre weltliche Bedeutung längst noch nicht zurückerlangt und es herrscht eine eigenartige Verbundenheit mit all diesen schleierhaften Gestalten, die sich wie Schilf im Rhythmus wiegen. Aber die gedämpfte Musik transportiert ein Grundvertrauen, schlingert bedächtig dem Morgen entgegen, während die Welt stillzustehen scheint und man einen Ruhepuls von 120 hat.
Der prominenteste Track auf „Playin‘ Me“ ist vermutlich das Coldplay-Cover „Trouble“. Jedoch trägt dieser das Album nicht im geringsten, sondern bildet nur die marode Spitze eines in der Tiefe wundervoll schillernden Eisberges, eines Albums das am Grund sehr viel breiter aufgestellt ist, als seine Hits es im ersten Moment vermuten lassen (dies gilt übrigens auch für andere schwächere Stücke wie bspw. „Sunshine“). So liegt eine der großen Stärken von „Playin‘ Me“ letztlich darin, dass es keine lose Aneinanderreihung einzelner Tracks geworden ist, sondern von einer Vielzahl atmosphärisch dichter Songs zusammen gehalten wird.
Ganz nebenbei gelingt es Hyperdub mit dieser Veröffentlichung, sich nachhaltig neu aufzustellen, denn „Playin‘ Me“ ist nicht das erste Album innerhalb der letzten Wochen, das sowohl gängige Hörgewohnheiten als auch übliche Genrebezeichnungen in Frage stellt. Cooly G ist in dieser Hinsicht zwar weniger radikal als Dean Blunt & Inga Copeland, und sollte daher wenigstens theoretisch eine weitaus breitere Hörerschaft erreichen – wenn sie nicht das Schicksal Laurel Halos ereilt, die im Mai zwar aus Kritikerkreisen reichlich Lob für „Quarantine“ erhielt, aber sozusagen an der Basis vorbei musizierte, da sie durch ihre Verkopftheit einer breiten Masse den Zugang zu ihrer Musik verwehrt hat.
Cooly G gelingt es dagegen, bis zur letzten Sekunde ihre Lockerheit zu bewahren und gleichzeitig die Spannung aufrechtzuerhalten – allein die letzten vier Songs verlangen dem Hörer noch einmal alles ab. Und würde man es darauf anlegen, könnte man „Playin‘ Me“ sogar als eine Art auditives Regulativ für den getriebenen Großstädter konstruieren, als Soundtrack des nachdenklich tanzenden Prekariats in den europäischen Metropolen. Muss man aber nicht, denn auch ohne diesen theoretischen Überbau ist „Playin‘ Me“ ein faszinierendes Album, dem man schwächere Songs schnell verzeiht, da es hierfür einerseits bescheiden genug ist und andererseits in seiner Wirkung und Beschaffenheit noch monatelang seinesgleichen suchen wird.
Label: Hyperdub
Referenzen: FAY, Dean Blunt & Inga Copeland, Laurel Halo, Rustie, Light Asylum, Goldie, Cut Hands
VÖ: 20.07.2012
[…] ging es dann auch weiter mit Cooly G. Begleitet wurde sie durch ihr unglaublich lässiges Set von einem Drummer, der unentwegt rund ein […]