DustedTotal Dust

Das Aufwärmen einer Ofenlasagne dauert 30 Minuten. Eine x-beliebige amerikanische Sitcom dauert inklusive Werbung im deutschen Fernsehen 30 Minuten. Eine Handballhalbzeit ebenfalls. Und genau diese halbe Stunde braucht auch Brian Borcherdt von Holy Fuck für „Total Dust“, das erste Album seines neuen Projekts „Dusted“.

10 Stücke, 30 Minuten, klassische Songstrukturen, häufig refrainbeladen, immer sehr nah am Ohr des Publikums. Langweilig, beliebig, einfallslos wären jetzt erste Attribute, die sich im Kopf manifestieren – sobald jedoch die ersten splitternden Töne von „All Comes Down“ durch die Lautsprecher hallen, lösen sich die Vorbehalte in Wohlgefallen auf. „Der macht jetzt so’n Lo-Fi-Zeugs?“, hört man sich sagen und „war der nicht eigentlich mal auf einem Elektrotrip?“. Nun, wenn man es genau nimmt, hat Borcherdt immer schon dass gemacht, woran er am meisten Spaß hatte. In dem Zusammenhang sei auch die hervorragende EP „Coyotes“ empfohlen, die leise empfindsame Folksongs versammelt und sich so gar nicht mit den intelligenten Elektrotracks bei Holy Fuck vereinbaren lässt. Doch vom fabelhaften „Scout Leader“ lässt sich bereits fabelhaft auf „Total Dust“ überleiten, lediglich die Reinheit und der wohlwollende Schönklang ist in den vergangenen vier Jahren ein wenig auf der Strecke geblieben.

Borcherdt nutzt jede Sekunde, um während der knappen halben Stunde Plattenlänge möglichst viele entspannte Klänge konsequent anzuspannen. Das beginnt bei der ersten Single „(Into The) Atmosphere“, die quengelig und unbequem den Tanzboden sucht und somit gleich Wurzeln in beiden Lagern hat. Während das verstiegene „Pale Light“ weder richtigen Anfangs- noch Endpunkt besitzt und neben den knurrigen Gitarrenakkorden vor allem durch geisterhaftes Gesumme auffällt, entpuppt sich „Property Lines“ als fein ziselierter Popsong, der, getragen von der hellen, beinahe nöligen Stimme Borcherdts eine beängstigende Eingängigkeit hervorruft und sich mit berstendem Schlagzeug in eine Art Lo-Fi-Rage spielt.

Borcherdt ist aber nicht der einzige Kopf von Dusted. Gemeinsam mit dem Produzenten Leon Taheny, der auch schon für Final Fantasy oder Bruce Peninsula tätig war, erzeugt er schepperndes Liedgut, das ohne den ihm innewohnenden Krach sicherlich nicht halb so interessant wäre. Mal klingen die Stücke halbfertig („Dusted“) und wissen doch ganz genau was sie wollen, dann wieder wird das knöcherne Songgerüst fast schon lieblich in den Schlaf gesungen („Long It Lasts“), bevor die Gitarre doch noch mit ein wenig mehr Vehemenz bratzen darf. Und das abschließende „There Somehow“ ist ein einziger kleiner verletzlicher Schlussakkord in klagendem Moll.

„Total Dust“ ist längst nicht so knochentrocken, wie es uns Titel und Projektname weismachen wollen, vielmehr klingt es wie eine kurzweilige Fingerübung, die für 30 Minuten großen Spaß macht, aber genau so schnell wieder verschwindet. Doch zum quirligen „(Into The) Atmosphere“ darf man auch mehr als einen Sommer tanzen.

68

Label: Polyvinyl

Referenzen: Crystal Shipsss, Brian Borcherdt, Bruce Peninsula, (frühe) The Mountain Goats, Nerve City

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VÖ: 13.07.2012

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